Meh Dräck! – CHRIS VON ROHR, Mastermind von KROKUS im Gespräch

Meh Dräck! – CHRIS VON ROHR, Mastermind von KROKUS im Gespräch

Am 27.01.2017 veröffentlicht die Schweizer Rockinstitution KROKUS ihren neuen Volllänger mit dem Namen „Big Rocks“. Grund genug für uns, mit Bandgründer und Bassist CHRIS VON ROHR am Telefon zu sprechen.

Man kennt CHRIS VON ROHR als Urgestein des Schweizer Rock, als Einen, der sagt, was er denkt und sich nicht kümmert, ob es gefällt. Mit ebendieser Erwartung rief ich an und erlebte einen abgeklärten, geerdeten und trotzdem hellwachen CVR, der aufmerksam und voll dabei war.

Als erstes wollte ich wissen, was er von der Weltenlage hält, von den Popularisten, die überall an die Macht kommen oder kurz davor stehen. Anders als viele Musiker äussert er sich dezidiert zum Weltgeschehen, polarisiert und hat klare Meinungen.

CVR:  „Das ist natürlich besorgniserregend, was da abläuft. Ich meine damit nicht nur die USA. Die haben diese Qualität schon immer gehabt; wie eine Katze, die du aus dem fünften Stock schmeisst und immer wieder auf die Füsse fällt.
Die Amerikaner sind unglaubliche Flexibilisten, sind die charmatischsten Gangster dieser Welt, die dem Rest des Planeten sagen, „wo’s düregoht“. Bis jetzt war das auf jeden Fall so und das wird auch so weitergehen, solange Europa dermassen zerstritten ist. Zum Thema Weltenwahn sagt unser neues Video eigentlich alles- check it out!

Der Staatenbund EU hat einfach Fehlkonstruktionen gebaut…

…wie den Euro, Vereinbarungen, die sie selber brechen und den südeuropäischen Ländern Dinge aufgezwungen haben, welche diese gar nicht wollten. Diese Staaten fühlen sich zunehmend befremdet durch dieses Diktat aus Brüssel. Sie können sich nicht damit identifizieren und damit bilden sich die „Nicht Vereinigten Staaten von Europa“.

Wie es aussieht zerfällt diese Union und es scheint, als wäre England erst der Anfang. Wie ich die kenne, wird es für sie übrigens kein Problem sein. Um die mache ich mir keine Sorgen, die werden gestärkt aus dieser Krise kommen.“

CVR glaubt also, dass Europa auseinander bricht und jeder zu diesem Schluss kommen müsse, der nicht nur die Mainstreampresse lese, sondern sich auch mit kritischen Berichten, beispielsweise von Ökonomen und Historiker, auseinandersetze. Ein weiteres Problem sieht er in der uferlosen Zuwanderung von grösstenteils Wirtschaftsflüchtlingen und dass Europa diese Belastungsprobe nicht aushalten werde.

„Als Musiker habe ich das natürlich nicht gerne. Wir wollen überall spielen, haben gerne offene Grenzen ohne immer noch Pass, Scheissdreck und Bewilligungen – das wollen auch wir. Doch es herrscht in Europa zunehmend ein sehr schlechtes, zentralistisches Management die vorallem nur ihre interne Macht aufrecht erhalten anstatt sich um ihre Bürger die hart arbeiten und Steuern bezahlen zu kümmern.
Man kriegt aber den Eindruck, der Pilot habe das Cockpit verlassen. Ich sehe da wirklich dunkle Wolken… als einer, der nun schon einige Jahre auf dieser Erde gelebt hat.

Der Mensch hat zwar Flatscreens, aber in seiner ganzen Anlage ist er ein fucking huere Höhlenbewohner mit seiner Keule.“

Jepp, da ist er wieder, der pointierte Vollblüter, der die Welt auch ausserhalb des Musikbusiness wahrnimmt und mitgestaltet, dir seine Meinung vor den Latz knallt und erwartet, dass du dich damit auseinandersetzt. Man mag seine Einstellung teilen oder nicht – ich jedenfalls wünschte mir mehr Menschen, die so klar auf den Punkt bringen, wofür sie stehen.

Ich will von CVR wissen, ob es trotz dieser düsteren Aussichten etwas gibt, worauf er sich 2017 freut – und bamm, we are back by talking about music!

„Ja logisch, und wie! Das sind Europa- und Amerika-Konzerte, einfach Konzerte zu spielen. Dafür sind wir unterwegs, das ist unsere Lieblingsbeschäftigung. Immer, wenn ein Konzertjahr kommt – und 2017 ist wieder so eines – freut sich natürlich die ganze Band extrem.“

Jepp, letztes Jahr hat man KROKUS kaum auf der Bühne gesehen. Das hat einen guten Grund gehabt – die Arbeit am kommenden Album „Big Rocks“.
Was ich mich schon öfter gefragt habe ist, warum Albumreleases fast immer am Freitag stattfinden. Für einmal hat CVR keine Antwort, vermutet, dass das mit dem Wochenende zu tun hat, wo man Zeit findet, Musik zu hören und zu kaufen.

„Es gibt einen Song, „Friday On My Mind“, vielleicht hat es damit was zu tun.“

CVR lacht und konzentriert sich dann aber sofort auf meine Frage, warum es keine offizielle Releaseparty gebe. 

„Nein, sind wir ehrlich; Releasepartys sind vorbei. Wir machen keine und diverse andere Bands auch.

Das kostet einen Haufen Kohle und die Plattenfirmen haben gemerkt, dass es wenig bringt, Journalisten einzuladen, die das Buffet leerfressen und anschliessend komische Bemerkungen machen. Dafür braucht es das einfach nicht. Ich konnte mich nie damit anfreunden und auch international gibt es das immer weniger.
Für mich ist es so – es kommt ein Album und anschliessend gibt es eine Tour, wo dann alle hören können, was die Band spielt, was sie zu bieten hat.“

„Früher haben wir zwar auch himmeltraurige Plattendeals gehabt, wo von zwanzig Franken nur zwei oder drei Stutz beim Künstler hängenblieben. Heute müssen die meisten neuen Künstler noch die Produktion bezahlen und dann wird das, was herauskommt, sofort im Netz verteilt und geklaut. Unfassbar.“

Im aktuellen Fall haben KROKUS in Absprache mit ihrer Plattenfirma beschlossen, das Geld lieber in ein Video zu investieren.

Das neue KROKUSALBUM „Big Rocks“ ist eine Coverscheibe mit Tracks vieler ganz grosser Bands der Rockgeschichte wie QUEEN, SPENCER DAVIS GROUP, LED ZEPPELIN, ANIMALS oder MANFRED MANN.
Ist ein Coveralbum Ausdruck von mangelnden Ideen, ein Lückenfüller für die Wartezeit bis zum nächsten „echten“ Album? CVR verneint klar.

„Also, das ist ganz einfach so. Wenn du in den letzten sechs Jahren zwei Studio- und ein Livealbum herausgebracht hast wie wir, dann willst du wieder einmal was Anderes.
Wir hatten schon seit Jahren den Wunsch, unsere Roots zu fassen – analog den ROLLING STONES, welche ihre Bluesroots mit „Blue And Lonesome“ zusammengepackt haben. 

Wir wollten das unbedingt noch machen, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.
Wir haben unserer Plattenfirma gesagt, dass wir das wollen.

Dann haben die gemeint, dass sich Coveralben schlechter verkaufen und sie die Royalties um fünfzig Prozent kürzen würden. Das war uns aber scheissegal, weil das aus unseren Herzen kommt, wir daran glauben. Und wir wollten das genau gleich behandeln in der Produktion und der Herstellung und der Qualität wie ein offizielles KROKUS-Album. Und genau so ist es auch herausgekommen. Jeder Fan von uns und vielleicht sogar noch neue werden dieses Album lieben-weil nix stärker ist als ein starker Song.
In der Band sind wir uns einig, dass das genau richtig war, denn herausgekommen ist eine gopferdammi geile Partyplatte. Alle, die das gehört haben, es geil gefunden (Anm.d.Red.; wir übrigens auch, wie unsere Review zeigt…).
Wir wollten dem Ganzen von Anfang an einen eigenen KROKUS-Touch geben, eigene Riffs einbauen und eigene Gesangsstimmen dazugeben. „Big Rocks“ ist zu tausend Prozent KROKUS!“

Fernando Von Arb meinte, das „House Of The Rising Sun“ hatte dringend einen neuen Anstrich nötig, und den haben sie ihm verpasst. Spannend auch wie „Rocking In The Free world“, das auch unser Video ist – rauskam- Check it out – es lohnt sich.

Warum zum Teufel, habe ich mich gefragt, findet sich kein AC/DC-Cover, da KROKUS doch immer wieder mit den Australiern verglichen werden.

„Die Wahrheit ist folgende; etwa ein Viertel unseres Gesamtrepertoires tönt tatsächlich etwas AC/DC-like. Aber für uns war klar, dass wir nur Songs angehen, die wir besser machen können. Interpretations-sowie soudtechnisch. Die Tracks mussten erstens unsere Muttermilch, unsere DNA sein – und das waren AC/DC nicht –die kamen erst später.  Du brauchst nicht MOTÖRHEAD, PURPLE oder DOORS zu covern oder Bands, die noch gross spielen und auf Tour sind.“

Spannend auch, wie die Auswahl der Tracks zustande kam. Üblicherweise setzt er sich mit Fernando Von Arb zusammen und entwickelt Ideen. In einer ersten Phase habe die Band etwa fünfzig Songs gejammt und geschaut, was gut kommt. Einige Stücke wurden den eigenen Tracks zur Seite gestellt und live gespielt. Das müsse passen, da sie diese Tracks ja auch im Rahmen ihrer Konzerte mit eigenem Material mixen wollen.
Anschliessend ging es darum, das Material mit Marc Storace abzugleichen und herauszufinden, was geht. Wo klingt er nach „best possible“-Marc, was passt zu seiner Stimme. So hätte „Jumpin‘ Jack Flash“ von den STONES extrem gut gepasst, „Foxy Lady“ von Jimi Hendrix hingegen flog raus, da man die Tonart hätte wechseln müssen und dadurch das Riff seine Qualität verlor. Die Vorbereitungsarbeit dauerte monatelang, der Aufwand war genau noch fast grösser wie bei einem normalen KROKUS-Album.

Natürlich habe ich CVR auch auf die Geschichte der Besetzungswechsel bei KROKUS angesprochen. In den letzten Jahren ist die Band ja ziemlich gesettelt, das scheint zu passen.
CVR relativiert das. Die Urformation bis Mitte der Achtziger hätte wenig Wechsel gehabt, wäre stabil gewesen. Nachdem sich die Band zerstritten hatte und Chris KROKUS verlassen, habe es tatsächlich unsinnige 42 Wechsel gegeben, was schon beinahe zu einem „running gag“ geworden war. Und die heutigen Mitglieder sind sich einig – das hatte nichts mehr mit KROKUS dem Original zu tun.

Man hatte damals den Verstand verloren, jeder „Tubel“, der noch eine Gitarre in die Hand nehmen konnte, war auf das Trittbrett aufgesprungen.

Das wäre natürlich ein Horror gewesen. Das hatte nichts mehr mit dem Original zu tun, das war ein Ableger eines Ablegers eines Ablegers – kurz; ein Joke! Heute sind tatsächlich 5 Originalmitglieder wieder dabei.- soviel wie bei nahezu keiner anderen Band in ihrem Alter.

Der Erfolg gibt der Band heute Recht. Ein Problem aber bleibt. „Too old to Rock’n’Roll, too young to die“ (JETHRO TULL) gilt für KROKUS zwar nicht, dazu sind die Jungs zu frisch auf der Bühne, haben zuviel Biss, wollen spielen.

„KROKUS sind heute besser denn je, Alter hat also durchaus Vorteile. Und was man nicht vergessen darf; in den Sechzigerjahren war ein 60-jähriger Mann alt. Heute steht ein 65-jähriger ganz anders da, biologisch scheint sich da etwas verschoben zu haben.
MICK JAGGER zum Beispiel jumpt mit 74 in Havanna auf der Bühne herum, dass es manchem 22-jährigen Jüngling Angst und Bange wird.

Unser „timetable“ bei KROKUS wird einzig durch die Gesundheit und den Doktor bestimmt – ausschliesslich! Alles andere, die „Schnäbivermesserei“ ist ausgeräumt, keiner muss dem anderen mehr was beweisen. Darum kann ich dir auch keine Prognose geben. Wir planen Jahr für Jahr genau ein Jahr, setzen uns wzusammen und diskutieren darüber, ob wir noch ne Runde nehmen und wie viel Spass es n och macht“

Aber gibt es denn musikalische Nachfolger – etwa in der Schweiz mit SHAKRA- oder nicht?

„Shakra machen das gut und kämpfen. Aber es ist international das riesengrosse Problem – es gibt keine richtig hungrigen, durch den Dreck gezogenen, authentischen, gnadenlosen Nachwuchsbands mehr – auf diesem Gebiet. Die Jungen müssen sich erst wieder erfinden und nicht einfach nachspielen. Das ist wie beim Blues sehr schwer. Da gibt es zwar einen JOE BONAMASSA, aber auch der wird die richtig grossen Blueser aus den Dekaden ihrer Grösse nicht schlagen. Ich befürchte eine unfassbar grosse Periode zu Ende
Drum sage ich all den Fans da draussen – geht die alten Dinos noch anhören und ansehen; AEROSMITH, ROLLING STONES, AC/DC, BLACK SABBATH – whatever, geht sie noch anschauen! Auch uns übrigens!

Denn nachher kommt die grosse Dürre – und das wird nicht zu vermeiden sein.

Ich vergleiche das mit der Hochepoche der klassischen Musik als es Mozart gab und Beethoven und Bach – das wurde nie mehr erreicht! Nie mehr!
Es gibt auch keinen zweiten King, Elvis ist nicht mehr, auch Michael Jackson nicht.“

Vielleicht schlummere ja irgendwo ein Riesentalent wie JIMMY HENDRIX, das noch nicht entdeckt wurde, aber er bezweifle das. Einzigartige Figuren wie einen CHARLIE CHAPLIN oder die BEATLES seien äusserst selten. BEATLES sind BEATLES – Punkt! Die weltweit bekannteste Band könne man nicht toppen, weil es keinen neuen LENNON oder MC CARTNEY mehr gebe. Die meisten aktuellen Bands würden sich zwar inspirieren lassen, zu oft wären das aber alles nur Kopien von den Kopien von den Kopien.

„Es ist ja schon verrückt, wenn ich überlege, welches die letzte grosse, atemberaubende Rockband gewesen ist, die uns alle umgehauen hat – Guns’n’Roses!

Und das war bereits 1986! Mit denen haben wir doch gehofft, dass die Musik vom Grunge befreit wird und nochmals etwas atemberaubender Hardrock kommt. Ich kenne nichts, was diesem Mix von AXL und SLASH nur einigermassen nahekommt.
Dabei spreche ich hioer vom Hardrock mit starken Songs, in anderen Musikstilen mag das anders sein.
Es gibt doch weit und breit keine Band, welche LED ZEPPELIN nur ansatzweise das Wasser reichen könnte. Ich kenne niemanden, aber ich lasse mich gerne belehren, wenn einer deiner Leser (!) schreibt, dass es da in Hinterpfupfingen eine solche Band gebe.

Dann muss man kritisch hinhören. Denn die erwähnten Bands, auch wenn sie nur eine knappe Dekade da waren, sind Monumente gewesen, die unverrückbar in der Landschaft stehen.
Klar, das war auch der Spirit jener Zeit, digitale, antiseptische Demenz gab es noch nicht, Musik war ein Wegweiser für das Leben, die Roadmap. Damals war es noch ein Abenteuer, Musiker zu werden, auf das zu setzen und sämtliche anderen Brücken hinter sich abzubrechen. Heute ist da too much, eine übersättigte Gesellschaft, wo überall Feuerchen brennen dich anlocken und ablenken. Für junge Künstler sind das sehr, sehr schwere Zeiten!“

Zum Ende haben wir uns gegenseitig noch einen Auftrag gegeben. Chris Von Rohr hört sich um und teilt mir mit, wenn seine musikalische Nachfolge durch eine geile, dreckige Hardrockband geregelt ist und ich schreibe ein knackiges, rundes Interview. Ob das gelingen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Was ich auf jeden Fall nicht geschafft habe; diesen Talk auf ein kurzes Statement einzudampfen – dazu sind die Aussagen und das Leben des Chris Von Rohr einfach zu wichtig – Punkt!

 

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