„Ein reinigendes Gewitter“ – Chrigel Glanzmann von ELUVEITIE im Interview – part one!

„Ein reinigendes Gewitter“ – Chrigel Glanzmann von ELUVEITIE im Interview – part one!

danny@metalnews | Die Fans waren geschockt, als letzten Sommer Merlin Sutter, Ivo Henzi und Anna Murphy bei ELUVEITIE ausstiegen. Nachdem ich die drei CELLAR DARLINGs im Herbst getroffen hatte, war es mir ein Anliegen, auch die „andere Seite der Geschichte“ zu erfahren.

Allerdings, und das war bei beiden Interviews klar, würde es nicht darum gehen, schmutzige Wäsche zu waschen oder pikante Details ans Tageslicht zu befördern.

Mir geht es beim Gespräch mit Chrigel Glanzmann, Frontmann und Gründer der helvetischen Paganmetaller, darum, herauszufinden, was zu einem solch massiven Split führt, aber auch, was daraus Neues entstehen kann. Im Verlauf des langen Gespräches fiel dann irgendwann der Begriff vom „reinigenden Gewitter, das zwar heftig ist, anschliessend aber klare Luft hinterlässt.

Getroffen haben wir uns im Winterthurer Erzbierschof, einer kultigen Kneipe mit gefühlten 1000 Biersorten. Chrigel sitzt bereits da, Handy und Laptop in Betrieb – beinahe wie einer diese „workspace2go“-Nutzer – wäre da nicht die Wollmütze mit dem meterlangen Rasta, die Lederarmbänder und die Tattoos, der Dreitagebart und das sympatische Lächeln, als er mich bemerkt.

Zuerst spreche ich Chrigel auf sein Interview im Rockspecial mit Dominik Diller an.

„Au ja, das muss ich mir jetzt unbedingt mal ansehen. Darauf habe ich teilweise heftige Feedbacks erhalten. Im Ausland kann man das auf der SRF Seite nicht anhören, geht nur in der Schweiz. Und ich war seither aber ziemlich viel unterwegs.“. Mir ist jedenfalls hängen geblieben…..

Auf jeden Fall ist mir hängengeblieben, wie er sich da äussert, dass mangelnde Toleranz gegenüber persönlichen oder familiären Situationen auch etwas mit dem Split zu tun haben, Ausdruck einer Haltung sind, welche die Stimmung bei ELUVEITIE nicht erst seit einigen Monaten sondern schon seit zwei oder drei Jahren beeinflusst.

„Also eigentlich sind das, was ich bisher öffentlich gesagt habe, wirklich die Gründe für den Split gewesen. Das ist natürlich sehr pragmatisch beschrieben. Ich will hier vorausschicken, dass es eigentlich immer nur um Merlin ging, nicht um Ivo und nicht um Anna. Ihr Abgang war und ist für uns sehr schwierig, auch für mich persönlich. Wir haben lange miteinander gesprochen, und als dann klar war, dass sie nicht ohne Merlin und ich nicht mit dieser Situation weitermachen kann, da sind wir beide sehr emotional geworden, sind Tränen geflossen…“

Chrigel wirkt betroffen, ernsthaft, hat momentan nichts vom Sänger und Frontmann, vom growlenden Keltenkrieger auf der Bühne. Kann, will, muss ich hier Stellung beziehen, mich für die eine oder andere Seite der Geschichte entscheiden? Chrigel klärt meine Frage, ohne sie zu kennen.

„Weisst du, ich habe nach wie vor grossen Respekt vor Merlin, vor dem, was er geleistet, zu ELUVEITIE beigetragen hat. Und ich mag ihn als Menschen. Ich achte ihn nach wie vor, für mich bleibt er ein Freund. Ich muss sagen, wie haben aktuell nicht viel Kontakt, aber den Kontakt, den wir haben, ist zuvorkommend, geprägt von gegenseitigem Bemühen…“

Das ist es wohl, was es möglich macht, dass aus einer solchen Trennung etwas Neues wachsen kann, zwei neue Dinge sogar.

„Aber in der Sache haben wir essenziell unterschiedliche Ansichten. Und das muss ich auch sagen; du hast im Interview mit CELLAR DARLING gefragt, ob der Split damit zu tun hat, dass zwei starke Charaktere aufeinander getroffen sind. Das ist eigentlich nicht so, sondern es war so, dass zwei Lager aufeinander getroffen sind.“

Die Band scheint also seit Jahren „auseinandergedriftet“ zu sein, ein wenig wie in einer Beziehung, in der man sich auseinanderlebt. Und dann erfahre ich etwas, was mich letztlich nicht erstaunen sollte und es trotzdem tut – weil die Aussenwahrnehmung ganz anders ist. Chrigel Glanzmann hat ELUVEITIE gegründet, aus einem Studioprojekt die erfolgreichste Schweizer Rockband gemacht – und er ist trotzdem nicht der Chef. Er ist Frontmann, Mastermind und trotzdem Mitglied einer demokratischen Musikkapelle. Damit treten Lineupwechsel plötzlich in ein völlig neues Licht.

„Es gab wirklich essenziell unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine Band geführt werden, wie sie funktionieren soll. Es ist klar, die Band steht im Fokus, zuvorderst. Und das ist egal, ob es eine Band ist, ein Verein oder eine Firma; wenn du etwas erreichen willst, musst du viel investieren.
Und trotzdem müssen in einem solchen Konstrukt, wo man dermassen eng ist, auch persönliche Situationen und Anliegen ihren Stellenwert haben. Ich persönlich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass diese sakrosankt sind, ein Stück weit unantastbar.“

Chrigel ist aber auch klar, dass irgendwann eine Grenze erreicht ist, wo man sich für oder gegen etwas entscheiden muss. Und das kann durchaus dazu führen, dass daraus ein Abschied, eine Trennung entsteht. Durch die demokratische Struktur der Band ist es aber auch zu Entscheidungen gekommen, die eher Ausdruck von Machtkämpfen waren, teilweise ohne diskutiert worden zu sein, ohne Vorankündigungen. Chrigel räumt auch ein, dass die Trennung von Merlin wirklich entschieden war, als die Gespräche mit Anna und Ivo begannen, ob sie die Band wirklich auch verlassen wollten.
Diese Aussage zeigt auf, dass jede Geschichte zwei Seiten hat, dass alle Beteiligten sich irgendwann einmal falsch verhalten haben oder unverständlich.

„Aus meiner Sicht ist das Unternehmen „first priority“, und trotzdem gibt es etwas, das immer, immer, immer on top ist, und das ist die Familie. Die ist das Wichtigste überhaupt!“

Es klingt engagiert und ist mehr als nur ein Bekenntnis und gleichzeitig bringt es eine Schwierigkeit auf den Punkt; nicht jeder sieht das gleich. Ob du fünfundzwanzig und unabhängig bist oder fünfzig und Familie hast – der Betrachtungswinkel ist ein anderer, Entscheide werden verschieden beurteilt und unter anderen Prämissen gefällt.

„Ich muss heute klar sagen, unsere demokratischen Strukturen haben in der Vergangenheit manche schwierigen Situation hervorgebracht, sind mehr als einmal in die Hosen gegangen.“

 

Der zweite Teil des Interviews mit Chrigel Glanzmann folgt demnächst in diesem Theater!

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