Chrigel, bisch en geile Siech!

Chrigel, bisch en geile Siech!

Und Anna, Meri, Ivo, Päde, Sime, Merlin und Kay auch. Und nicht zu vergessen die Gastmusiker Fredy Schnyder, Sarah Wauquiez, Christoph Pelgen und Nina Macchi. Was Eluveitie mit Helvetios auf den Markt bringen ist ein weiterer Hammer für die Folkmetal-Szene.Warum haben Konzeptalben eigentlich einen eher schlechten Ruf? Wahrscheinlich, weil sie für viele Bands zu anspruchsvoll sind… Dabei gibt es doch nette Beispiele wie etwa Nightfall in Middle Earth von Blind Guardian oder Room V von Shadow Gallery. Allerdings muss ich hier gerade klarstellen; das Format von Helvetios haben beide genannten Alben nicht.
Bevor ich mich auf die einzelnen Nummern von Helvetios einlasse: eine Frage, welche viele Eluveitie-Fans bewegt: „Helvetios“ toppt „Everything Remains“ meiner Meinung nach nicht. Ich sehe beide Alben – wenn vom Konzept her auch sehr unterschiedlich – auf Augenhöhe. Und das will etwas heissen. Wie vielen Bands gelingt es schon, einen solchen Erfolg wie „Everything remains“ zu wiederholen? – Eluveitie!

Ich habe mir die „exclusive Bonus Version“ heruntergeladen. Da sind einige Bonustracks drauf und die Videos zu „A Rose for Epona“ und „Havoc“. Was mit ein wenig gefehlt hat, ist ein Digital Booklet.

Geschichte? – Geschichte!
Helvetios eröffnet – wie es sich für eine Geschichte gehört – mit einem Prolog, gesprochen von Alexander Morton (Walhalla Rising…). Archaisch, ein wenig an Tolkiens Saga um Mittelerde erinnernd, erzählen Chrigel Glanzmann und seine Truppe die Geschichte der Helvetier. Das war ein keltischer Volksstamm, der von den germanischen Völkern nach Süden bis an die Alpen gedrängt wurde. entgegen der landläufigen Meinung haben die Helvetier die Schweiz nicht erobert, sondern sie sind in weitgehend unbesiedelte Gebiete eingewandert. Da der Druck von norden aber stärker wurde und im Süden das römische Reich widerstand, entschloss sich ein grosser Teil der helvetischen Stämme, nach Südwesten zu ziehen. Das eigentliche Ziel war Südfrankreich. Hätten sie das mal geschafft – wir Schweizer hätten es momentan deutlich wärmer…
Die Helvetier wurden von einem Führer namens Divico angeführt und wollten sich im heutigen Burgund – in der Nähe des Mont Beuvray mit der Stadt Bibracte auf seinen Anhöhen – mit gallischen Stämmen vereinigen. Diese sollten ihnen sicheres Geleit gegen die Römer garantieren. Letztlich liessen sie die Helvetier aber im Stich. Diese trafen in der Nähe von Bibracte auf die Römer und verloren in einer erbitterten Schlacht einen grossen Teil ihres Heeres. Cäsar zwang sie, in ihre heimatlichen Gefilde zurück zu kehren – und dort zu warten, bis Ricola die Schweizer erfand 😉
Im Ernst, der Auszug der Helvetier wurde uns Schweizer Schulkindern ebenso heroisch und beschönigt beigebracht, wie Cäsars „de bello gallico“ eine römische Selbstdarstellung sondergleichen ist. So waren alle römischen Gegner äusserst tapfer – was natürlich die Leistung der Römer bei einem Sieg deutlich erhöhte. Kurz, die Geschichte vom Auszug der Helvetier – ein Seitenast der gallischen Kriege – bedarf auch heute noch der historischen Aufarbeitung.

Das Album
Helvetios besteht, Prolog und Epilog mitgezählt, aus siebzehn Nnummern mit einer grossen Bandbreite. Es finden sich Anleihen bei früheren akkustischen Alben genauso wie Fragmenten, welche aus Slania und Everything remains stammen könnten. Was aus meiner Sicht dazukommt sind die Gesangsparts – mehr, ergänzend zu Chrigels Growl und Annas Powerstimme mehrstimmige Einlagen, fast schon Chorelemente. Zu hören ist hier auch die Stimme von Gastsänger Christoph Pelgen vom Duo Cassard oder der Band La Marmotte.
„Helvetios“, das Titelstück – kommt episch daher und leitet mit der Situation der Helvetier vor dem Auszug ein. Es ist eine Nummer mit den gewohnten Folkrhythmen von Chrigel Glanzmanns Pypes und den Metalbeats von Gitarre, Bass und Drums.
Am anderen Ende des Spektrums figuriert „Scorched Earth“. Hier dominiert die Stimme Pelgens. Ein wunderschönes Lied, das jeder, der die Schweiz kennt, problemlos landschaftlich zuordnen kann, egal, aus welchem Teil unserer Heimat er/sie kommt. Allerdings ist das Lied ein Stück aus der Tradition des bretonischen Gwerz, einem Klagelied, das fast ausschliesslich gesungen und wenn überhaupt – sehr spärlich instrumentiert wird.
Und dann brettern die Eluveitie-Mannen und -Frauen mit dem Schlachtlied „Meet the Enemy“ gleich wieder los. Bloss keine Langeweile aufkommen lassen. Mich erinnert der Song relativ stark an den Titelsong von „Everything remains“ ohne allerdings an dessen harmonische Gesamterscheinung heranzukommen.
„Neverland“ beeindruckt mich nicht sehr, es kommt schon fast punkig-poppig daher. Dann „A Rose for Epona“, das wird wohl das am meisten im Radio gespielt werdende Stück sein. Ich war übrigens einigermassen überrascht, dass die vergangene Woche in DRS 3 genau dieser Sond gespielt wurde – und dann erst noch Schnipsel aus dem Focus-Interview mit Chrigel Glanzmann eingespielt wurden. Ach ja, und dann noch die Aussage des Moderators, dass Eluveitie momentan „international die erfolgreichste Rockband der Schweiz“ ist. Hola, DRS3 lernt dazu 😉 Epona kommt in der Tradition von Inis Mona an, eine schöner Song, getragen von Anna Murphys kraftvoller und immer etwas klagender  Stimme – „hitparadenverdächtig“. Hier empfehle ich auch das Video zum Song, das sich übrigens auf dem Blog von Eluveitie findet, ebenso wie das Video zu Havoc. Havoc ist dann wieder eine Vollgasnummer, der Mix zwischen FolkFiddle und Doublebass-Line wie ich sie von Eluveitie liebe. Hammer, Hammer, Hammer!
Hurdy Gurdy? Klar, Hope unterlegt Anna mit ihrer Drehleier, während die Flöte zurück in die Zeiten der keltischen Lehmhäuser mit ihren Rietdächern holt. Man kann sich gut vorstellen, an einem rauchigen Feuer zu sitzen – und Bier aus einem Horn zu trinken 😉
Und weil soviel Harmonie verdächtig ist – es geht immerhin um ein Kriegsepos – folgt der Ausnahmezustand; “ The Siege“,Vollgasmetal mit einem Intermezzo der Fiedel von Meri Tadic, Anhören, das ist eine Nummer, die Live gut abgehen muss.

Alesia beruhigt dann – allerdings sehr trügerisch. Der Song handelt vom Kampf um Alesia. Um die Zivilbevölkerung zu schützen, schickten die Gallier Frauen, Kinder und Alte aus der Stadt. Die Römer liessen diese Menschen allerdings nicht abziehen, wie es den Gepflogenheiten entsprochen hätte. Warum die Menschen nicht zurück in die Statd kamen, verhüllt der Nebel der Geschichte – auf jeden Fall sollen dort 20’000 unschuldige Menschen verhungert sein. Als gesprochener Nachsatz „And so it all ends … fly raven“ spielt Tullianum auf den Kerker an, in welchem Vercingetorix – der gallische Kriegshäuptling, welcher Cäsar 58. v. Chr. besiegte, ihm 6 Jahre später aber unterlag – sein Leben aushauchte. Der Rabe ist in verschiedenen Mythologien der Vogel des Todes und der wandernden Seelen. Das Album wird dann durch einen gesprochenen Epilog, einen Folkzwischenteil und eine lyrische Chorsequenz.

 

Fazit
Helvetios ist eines der zwei stärksten Eluveitie-Alben. Noch ist es mir zu wenig geläufig – auch Hörerlebnisse müssen reifen – um zu entscheiden, ob es sich mit „Everything remains“ auf eine Stufe stellen kann. In jedem Fall haben Eluveitie ein Album abgeliefert, welches das Qualitätslabel „swiss made“ verdient hat. Diese Scheibe wird dazu führen, dass die Winterthurer Band noch stärker zur Spitze der Pagan- und Folk-Metal-Szene gehören – wenn sie nicht schon die Spitze sind. Spitze sind sie auf jeden Fall!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.