„Break Your Borders“ gecancelt – keine Ausnahme…
Die Idee war fantastisch; verschiedene Genres auf einer Band, deren „Knalleffekt“ die Verbindung gewesen wäre…
Danny Frischknecht | 36zwei Entertainment
Jetzt streichen die Veranstalter aber die Segel und canceln das Event:
„Die aktuelle Situation ist für uns als Veranstalter eine besondere Herausforderung und die Erfahrung der letzten Wochen, bzw. Monate haben bei diversen Veranstaltungen gezeigt, dass das Angebot die Nachfrage des Publikums massiv übersteigt.
Dies hat wiederum zur Folge, dass der Aufwand für ein neues Festivalkonzept exorbitant zunimmt um es erfolgreich zu lancieren und unsere persönlichen Ressourcen massiv sprengt. Somit würde eine zwanghafte Durchführung andere Projekte sowie auch unser Kernbusiness (Band Booking) stark gefährden. Daher mussten wir die Notbremse ziehen (obwohl uns eine Absage sehr widerstrebt).“
Wer momentan Konzerte besucht merkt, dass das nur ein Weiteres von vielen traurigen Beispielen ist. Konzerte von Bands, welche sonst problemlos Clubs und Konzerthallen füllen, finden heute vor weniger als halbvollen Sälen statt. Warum das?
Übersättigung

Wenn in einem Jahr schweizweit rund 10’000’000 Tickets im Umlauf sind, dann müssen ganz schön viele Leute an ganz schön viele Konzerte gehen. In einem normalen Jahr sind es gerade einmal ein Viertel davon. Es zeigt sich, dass die „grossen Namen“ noch glimpflich davonkommen, fast egal, wie teuer die Tickets mittlerweile sind. RAMMSTEIN und ED SHEERAN – sogar die BÜEZERBUEBE füllen das Letzigrundstadion nach wie vor.
Kleinere Locations oder weniger „grosse“ Bands haben hier deutlich mehr Mühe. Wenn AMON AMARTH und MACHINE HEAD nur im Club Hallenstadion auftreten oder ARCH ENEMY und BEHEMOTH „nur“ die Hall füllen, dann ist das ungewöhnlich. Dazu muss man aber auch sagen, dass diese Bands im Winter auch schon im Zürcher Komplex oder im Pratteler Z7 unterwegs waren.
Es dürfte also so sein, dass viele Veranstalter falsch und zu hoch gepokert haben, wenn sie hofften, das Publikum würde die verpassten zwei Corona-Jahre auf einen „Chlapf“ nachholen. Dass dabei natürlich viele Konzerte sind, die Verschiebungen waren, ist zusätzliches Pech.
So seltsam das tönen mag; das Angebot muss wieder „verknappt“ werden, denn lieber weniger Konzerte, die gut besucht sind, als viele Konzerte, die halbleer sind und dabei praktisch dieselben finanziellen und personellen Ressourcen verbrennen wie ausverkaufte Gigs.

Gewöhnung; es geht auch ohne
Immer wieder einmal hört man die Aussage, dass man während Corona gemerkt habe, dass es auch ohne Konzerte und andere Events geht. Die Menschen haben sich neu orientiert, das Zuhause als gemütlichen Ort wiederentdeckt, gemerkt, dass man sich Konzerte auch am Fernseher ansehen kann…
Kommt dazu, dass auch die finanziellen Mittel unter Druck stehen; wenn die Energiekosten dermassen steigen, muss sich der eine oder andere Konzertbesucher überlegen, wo er seine Prioritäten setzt – die geheizte Stube hat halt schon auch ihren Wert.
Angst und Vorsicht
Viele Menschen trauen dem Frieden „nach der Pandemie“ noch nicht. Auch wenn man sich boostern kann und damit das Risiko für schwere Verläufe minimiert wird – Corona ist noch nicht vom Tisch, ist noch immer mehr als eine „normale“ Grippe. Zudem dürfte auch der Druck am Arbeitsplatz steigen, „gesund“ zu bleiben. In vielen Branchen fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wer ausfällt, bürdet seinen Kolleginnen und Kollegen viel zusätzliche Arbeit auf. Dann doch lieber auf das eine Konzert und das damit verbundene Ansteckungsrisiko verzichten…
Gibt es ein Fazit, eine einfache Lösung?

Wahrscheinlich nicht. Es dürften Schritte notwendig sein, die allerorten schmerzen. Weniger Konzerte planen, die Touren ausdünnen, Events damit wieder erstrebenswert machen. Wenn eine Schweizer Band in der Schweiz zwanzig Gigs spielt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele davon nicht ausverkauft oder gut besucht sein werden.
Wo möglich hilft auch das Senken der Ticketpreise, dies jedoch eher an grösseren Events. Die kleinen Locations liegen bei den Ticketpreisen schon seit Jahren am unteren Ende, reich wird dort niemand, ohne Leidenschaft und Freiwilligenarbeit geht dort gar nichts mehr. Immer wieder fällt mir auf, dass ausländische Bands die Schweiz meiden, quer durch Europa touren aber nicht in Helvetien aufschlagen – die Kosten sind einfach zu hoch – abgesehen, dass der Zollübertritt meist ein Höllenritt ist.
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Events „anzureichern“ – neue Formen ausprobieren, Mehrwert schaffen. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass ein gutes Catering dafür sorgt, dass die Menschen schon zum Abendessen kommen. Oder Konzerte werden an spezielle Orte verlagert oder zu anderen Zeiten gespielt. Schon bisher gab es zeitliche Probleme, die dazu führten, dass Menschen vor dem Headliner den Zug bestiegen oder die Reise gar nicht erst antraten. Wer mit dem ÖV ins Z7 fährt, kennt das Problem – der letzte Zug Richtung Zürich wartet nicht.
Wahrscheinlich gibt es andere, kreative Lösungen, und wahrscheinlich zerbrechen sich viele Veranstalter ihre Köpfe, wie sie die Säle wieder voll kriegen können.

Eine Weisheit gibt es aber; „SUPPORT YOUR LOCAL!…“ Geht an kleine Konzerte in kleinen Clubs und unterstützt die kleinen Bands. METALLICA oder RAMMSTEIN oder DIE TOTEN HOSEN verschmerzen es, wenn einige Hallen oder Stadien etwas weniger Besucher haben. Einem kleinen Club können leere oder halbvolle Säle schnell das Genick brechen. Damit verschwindet dann auch heimlich, still und leise die Förderung des Nachwuchses, verschwinden auch Bands in der Versenkung, die vielleicht das Zeug hätten, zukünftige Headliner zu sein.
Mir ist klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Wenn sich die Konjunktur erholt, die Nachholkonzerte endlich vorbei sind und die Menschen neue Tickets kaufen, kann sich die Situation verbessern. Ohne schmerzliche Eingriffe wird das nicht gehen, auch weiterhin werden viele Bands Konzerte absagen, weil sie kein Personal finden, weil der Vorverkauf nicht läuft und weil das organisatorische und finanzielle Risiko einfach zu gross ist. Und wahrscheinlich wird es Locations und Veranstalter geben, die aufgeben müssen, deren Ressourcen aufgebraucht sind.
Deswegen noch einmaL – „SUPPORT YOUR LOCAL!“, damit diese überleben!
