SINVERSE – Von neuen Herausforderungen und Fantasiewelten
Im März haben SINVERSE ihr Debutalbum „Cosmic Poetry“ veröffentlicht. Rocknews hat mit dem Quartett über ihre Musik, Pläne und ihre dystopische Zukunftsvision gesprochen.
Stephan Lipp

SINVERSE sind Simon Burri (G), Dave Schlumpf (D), David „Graf“ Craffonara (B) und Valentin Bürgler (V). Mit Cosmic Poetry hat das Quartett ein fulminantes Progressive Modern Metal Epos erschaffen (Die Rezension dazu gibt es natürlich bei Rocknews). Was liegt da näher, als mit den umtriebigen Musikern über die Entstehungsgeschichte, ihre dystopische Vision der Zukunft und ihre Pläne als Band zu sprechen?!
Simon und Dave haben die Band 2018 gegründet. Wie kam es, dass ihr – nachdem ihr bereits in TIMOR und BEYOND THE VORTEX zusammen musiziert habt – euch für ein neues Projekt zusammengefunden habt?
Dave: Nach einer mehrjährigen Familienpause mit musikalischer Abstinenz besuchte ich 2017 nach langem wieder einmal ein paar Konzerte. Da merkte ich rasch, wie sehr mir das Band-Leben wirklich fehlte. Ich wollte wieder etwas anreissen, hatte aber von Anfang an einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Natürlich wusste ich, dass Simon grossartige Songs schreibt und es auf technischer, musikalischer wie auch menschlicher Ebene zwischen uns immer harmoniert hatte. Es war für mich also der nächste logische Schritt, bei ihm anzuklopfen. Wir trafen uns im verschneiten Zürich auf ein paar Drinks und Simon zeigte mir einen Song, an dem er damals gearbeitet hatte. Das war stilistisch so ziemlich genau das, was mir vorschwebte. Auch in anderen zentralen Punkten waren wir uns schnell einig, und so kam der Stein ins Rollen.
Das heisst, die musikalische Marschrichtung war von Anfang an klar, oder hat sich dies erst im Laufe des Songwriting-Prozesses so richtig ergeben?
Simon: Genau. Wie Dave bereits erwähnt hat, habe ich einige Songs, welche ich bereits vor SINVERSE geschrieben habe, zum Start der Band eingebracht. Das waren “Cosmic Poetry” und in später angepasster Form “Ascension” und “End Of Compassion”. Somit war die Marschrichtung von Beginn an klar und die weiteren Songs entstanden nach ähnlichem Rezept. Mir war jedoch immer wichtig, dass die Songs sich voneinander unterscheiden sollten, und jeder einen eigenen Charakter hat. Ich hoffe, das hört man. Was sich erst im Verlauf des Songwritings entwickelt hat, ist die Idee zu einem lyrischen Konzept über das ganze Album hinweg. Das hat Dave dann erarbeitet und auf die bereits damals bestehenden Instrumentals zugeschnitten.
Auch wenn sich SINVERSE stilistisch von TIMOR und BEYOND THE VORTEX abhebt, kann man doch Elemente aus den beiden vorangegangen Bands erkennen. Ist SINVERSE die logische Fortsetzung dieser Bands oder doch nur Zufall?
Dave: Wohl beides. Gegen Ende von BEYOND THE VORTEX waren wir im Begriff, mit einem zweiten Sänger neue stilistische Möglichkeiten auszuloten und die harten Vocals mit klarem Gesang zu ergänzen. Auch begannen wir, mit Synth-Klängen zu experimentieren. Zwei Songs waren fertiggestellt, ein dritter in Arbeit. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Entwicklungen früher oder später zu etwas geführt hätten, das dem heutigen Sound von SINVERSE nicht unähnlich gewesen wäre. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass Simon und ich bewusst dort angeknüpft hatten. Es war nie unser Bestreben, dass man unseren alten Stil wiedererkennt. Wir wollten etwas Neues kreieren, zumal wir uns in all den Jahren ja auch musikalisch und menschlich weiterentwickelt hatten. Aber klar: Simon hatte damals vor allem bei BEYOND THE VORTEX die Songs geschrieben, und seine Handschrift ist natürlich auch bei SINVERSE klar zu erkennen. So gesehen sind gewisse Parallelen sicher nicht auszuschließen.
Wie und wann sind die weiteren Bandmitglieder zu euch gestossen?
Simon: Alea Wyss war nach etwa einem halben Dutzend Kandidaten die Gitarristin, welche uns sofort überzeugt hatte. Sie brachte bereits viel Studio- und Live-Erfahrung mit und auch sonst hatte alles gepasst, so dass Dave und ich sie 2018 als Mitstreiterin begrüssen konnten. Allerdings merkte Alea nach zwei Jahren, dass sie ihre Prioritäten neu ordnen und andere Ziele verfolgen wollte, so dass man sich in Freundschaft trennte. Sie hatte aber zuvor noch bei den Aufnahmen mitgewirkt und ist auf dem Album als zweite Gitarristin zu hören.
Graf: Ich konnte im Februar 2019 als Bassist in die Band einsteigen. Ich war Mitte/Ende 2018 mit einem Varieté Theater auf Tournee (111 Aufführungen in 6 Monaten) und hatte nach der Tour das Glück, Dave, Simon und Alea kennenzulernen. Das Ziel war für uns alle dasselbe: Live spielen und ein Album releasen. Ich hatte in meinen vergangenen Jahren ein Projekt namens SUNCOLD, die Band, bei welcher ich gelernt habe, wie es im Heavy Metal zugeht. Unser Track “Drowning” war meine erste Herausforderung und bald darauf starteten wir die Aufnahmen fürs Album.
Valentin: Ich stiess 2020 hinzu, nachdem Simon und ich an einem Konzertabend draussen vor dem Lokal auf das Projekt zu sprechen kamen. Wir kennen uns bereits aus der Schulzeit. Er war es, der mich Jahre zuvor auf Bands wie DREAM THEATER, NEVERMORE und SyYMPHONY X überhaupt aufmerksam gemacht hatte. Bis zu jenem Abend war ich ausschließlich in Coverbands aktiv und wollte nicht länger nur die Songs anderer Leute nachsingen. Als ich die Aufnahmen für “Ascension” und “Pillars of Creation” das erste mal zu hören bekam, war mir sofort klar, dass dies die lang ersehnte Herausforderung war. So setzte ich mich wenig später hin und schrieb meinen ersten richtigen Songtext für “Pillars of Creation”.
Ihr habt als AEONS angefangen, damals wie schon erwähnt noch mit Alea Storm/Wyss, die sich aus musikalischen Gründen während der Aufnahmen zurückgezogen hat und als Gastmusikerin erwähnt wird. Wie hat das eure Arbeit beeinflusst und wann und weshalb kam der Namenswechsel?
Valentin: An dieser Stelle waren nur die Vocals noch in der Pre-Production. Die Aufnahmen der Instrumente waren soweit bereits abgeschlossen. Wir mussten uns natürlich erstmal neu orientieren, da ja Auftritte vorerst nicht mehr machbar waren. Allerdings begannen dann ohnehin die ganzen Pandemie Massnahmen und Auftritte rückten leider vor allem dadurch in weite Ferne. Der Namenswechsel kam daher, dass wir uns mit der Tatsache konfrontiert sahen, dass es bereits eine gleichnamige Band von der Isle of Man gibt, die sich im selben Genre bewegt. Diese hatte ihr Debut Album 2019 veröffentlicht und legte 2021 mit der zweiten Scheibe nach.
Und wie kam es zu SINVERSE? Auf den ersten Blick stechen SIN und INVERSE als Wortteile ins Auge. Gibt es dazu eine Hintergrundgeschichte?
Graf: Bereits beim ersten Mal war die Namensfindung zäh wie Kaugummi. Der neue Name sollte kurz und bündig sein, wie es der alte bereits war. Wir mussten ausserdem feststellen, dass wir uns beim bisherigen Namen wenig Gedanken darüber gemacht hatten, dass die Aussprache manchmal Glückssache sein kann – Englisch ist hier nun mal vorwiegend Zweitsprache. Der neue Name sollte sich ohne Schwierigkeiten beim Lesen aussprechen lassen und gleichzeitig sollte beim Hören klar sein, wie man ihn schreibt.
Letztendlich konnten wir uns auf SINVERSE einigen. Knackig und leicht zu merken, bietet das Kunstwort Interpretationsspielraum, den wir eigentlich gerne offen lassen möchten.
Dave hat die thematische Vorgabe einer dystophischen Science-Fiction Story vorgelegt, Valentin hat die Texte geschrieben. Hat er das Thema im Alleingang aufgenommen und umgesetzt, oder gab es dazu in der Band Diskussionen und Vorschläge?
Valentin: Dave hatte das Konzept für die Geschichte bereits sehr konkret ausgearbeitet. Ich konnte daraus dann bei den Texten aus dem Vollen schöpfen. Zudem hatte Dave für „Ascension“ und „Synthetic Harmony“ bereits seine eigenen Texte geschrieben, welche ich zu einem Grossteil übernehmen und mit etwas Nachschliff zur finalen Version überarbeiten konnte.
Waren die Songs alle schon geschrieben, bevor Valentin die Texte beisteuerte?
Valentin: Grösstenteils ja – Bei den Instrumentals war Simon federführend, wobei „Pillars of Creation“ aus einer Idee von Dave heraus entstanden war, und schliesslich durch Simon noch vervollständigt wurde. Die Melodien und Harmonien für die Gesangslinien wurden aus einer Mischung aus Dave’s ursprünglichen Entwürfen, meinen eigenen Ideen und der tatkräftigen Unterstützung durch Simon in unzähligen Sessions in meinem Übungsraum geformt. Den letzten Schliff verliehen dann Inputs von Graf und Dave, sowie letzte spontane Anpassungen in letzter Minute während der Aufnahmen in Marc Trummer’s Studio.
Auch wenn eure Version der Zukunft fern scheint, gibt es beim Lesen der Texte die eine oder andere Passage, die auch gut in die heutige Zeit passen würde. Die Texte wurden während der Pandemie geschrieben. Gibt es (absichtliche) Bezüge auf die aktuelle Weltlage, oder sind Gemeinsamkeiten nur zufällig?
Dave: Die Texte basieren auf einem inhaltlichen Konzept, das bereits sehr früh ausgearbeitet wurde. An einem Punkt dieser fiktiven Geschehnisse wird die Flucht in Fantasiewelten und damit auch die soziale Isolation zu einem zentralen Thema. Hier finden sich tatsächlich starke Parallelen zu Situationen, wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben. Aber einen direkten Bezug zur Pandemie wollten wir nie bewusst herstellen. Vielmehr greift das Thema aktuelle gesellschaftliche und technologische Entwicklungen auf und vermischt sie im späteren Verlauf mit einer fiktiven Zukunftsvision.
Ihr habt „Cosmic Poetry“ im Eigenvertrieb veröffentlicht. Was sind eure Pläne mit eurem Debut Album, Live Performances und weiteren Veröffentlichungen?
Graf: Für dieses Jahr sind Auftritte in der Schweiz geplant, um unsere Musik unter die Leute zu bringen und um uns hierzulande einen Namen aufzubauen. Für’s nächste Jahr zielen wir auf Shows und Festivals ab, die auch gerne mal im umliegenden Ausland sein dürfen. Wie weit es uns in die Ferne ziehen wird, das wird die Zukunft zeigen.

„Cosmic Poetry“ enthält 9 tolle Songs. Welches Stück ist wessen Lieblingsstück und weshalb?
Simon: “Full Circle”, vielleicht weil er als letzter Song vor den Aufnahmen entstanden und somit noch am frischesten ist. Für mich war beim Schreiben lange nicht klar, wie das Album enden soll. Nach einigen Leerläufen erschien mir dieser Track dann aber als der richtige Schlusspunkt. Insbesondere der ruhige Mittelteil mit anschliessendem Solo haben es mir angetan.
Dave: Da unterscheide ich zwischen hören und spielen. Der Titeltrack “Cosmic Poetry” ist mit seiner Vielschichtigkeit ein tolles Hörerlebnis, für mich als Drummer live aber ein ziemlicher Sauhund, gerade untenrum. “End of Compassion” finde ich als Song genauso gelungen, geht mir aber viel leichter von der Hand und macht live richtig Spass.
Graf: Ich finde “Drowning” einen gelungenen und einschlagenden Song. Es war der erste Track, den ich von der Band gehört und geübt habe und ist nach wie vor mein Favorit. Das treibende Mid Tempo und die progressiven Riffs haben mich von Anfang an überzeugt.
Valentin: “Ascension” hat alles, was ich mag: Von energiegeladenen Verses mit SYMPHONY X Vibes über saftige Instrumentals – insbesondere der Drum Track – hin zu einem melodischen Chorus. Gleichzeitig ist er sehr klar strukturiert und nachvollziehbar. Der Spannungsbogen gegen das Finale hin ist für mich persönlich eine Punktlandung.
Die Corona-Zeit hat viele Musiker und Bands dazu veranlasst, Coveralben aufzunehmen. Welches Cover würde SINVERSE umsetzen, wenn sie dürften?
Valentin: Innuendo von Queen war tatsächlich mal im Gespräch für einen Encore-Kandidaten. Mehr dazu möchten wir an dieser Stelle aber noch nicht verraten.
Vielen Dank SINVERSE für eure Zeit. Und QUEEN geht natürlich immer, da bin ich gespannt. Gute Gelingen auf eurem Weg, viel Erfolg mit „Cosmic Poetry“ und wir hoffen, bald mehr von euch zu hören!
