SCHATTENMANN – Interview mit Frank Herzig

SCHATTENMANN – Interview mit Frank Herzig

Anlässlich eines Konzertes konnte Rocknews ein Interview mit Frank Herzig von SCHATTENMANN führen.

Text Alice Malherbe

Rocknews (RN): Zwei Alben innerhalb von 16 Monaten, dazu noch diverse Tourneen als Vorband und Anfang 2019 auch als Headliner auf Tour, ebenfalls Anfang Jahr Wechsel zu AFM Records – seid Ihr bisher überhaupt dazu gekommen all die Eindrücke zu verarbeiten oder irgendwie das Ganze zu geniessen? 

Frank Herzig (FH): Geniessen ja – wir geniessen jede Show, jeden Tag im Studio – weil es für uns natürlich die Erfüllung eines Traumes ist, dies alles tun zu können in der Form. Manchmal kommt das geniessen natürlich auch mal für den Moment etwas zu kurz, durch den Stress der natürlich auch logischerweise mit einhergeht wegen Termin- und Zeitdruck usw.
Aber spätestens, wenn wir auf der Bühne stehen oder nach Hause kommen und genau wissen und spüren, dass es genau das ist was wir immer tun wollten – ja das ist einfach geil – wir geniessen es tatsächlich.

Das realisieren ist eine andere Sache… tatsächlich konnten wir viele Eindrücke erst im Nachhinein verarbeiten oder realisieren. Wenn wir jetzt auf Tour sind und kommen in manche Clubs zum zweiten Mal wie z.B. gestern in Frankfurt, da realisierst Du erst – Hey, wir sind zum zweiten Mal hier und haben tatsächlich unsere zweite Headliner Show in Frankfurt. Oder auch bei der Show von Mera Luna, da war ich dieses Jahr als Gast vor Ort, sah diese Bühne und dachte – oh scheisse da standen wir ja auch schon drauf 2018. Sowas kommt dann tatsächlich immer wieder so häppchenweise – Stück für Stück fängt man erst im Nachhinein an zu realisieren was tatsächlich alles passiert ist in den letzten Monaten.

RN: Wie haltet Ihr Eure Balance und ladet Eure Batterien auf in hektischen Zeiten? Wie bleibt Ihr auf Tour von Stadt zu Stadt fit um nicht irgendwann aus zu brennen?

FH: Da das für uns ja positiver Stress ist, ist es ja auch nicht nur stress. Viele sagen immer wieder – boah ihr habt so einen vollen Termin Kalender und das ist doch total stressig. Da sag ich dann: Nein.

Klar es gibt Momente in welchen es sehr stressig ist. Ein Tag vor der Tour zum Beispiel – wenn Du da direkt vom Alltagsjob nach Haus kommst und erst mal Deinen Kram packen musst für die Tour. Vorbereiten, Bus laden, noch irgendwo Sachen organisieren, das ist dann schon oftmals stressig und hektisch aber wir haben immer im Hinterkopf für was wir es tun. Sobald wir dann in den Bus steigen und losfahren – fängt eigentlich auch so eine Art Entspannung an. Ist vielleicht ein komisches Wort aber in dem Moment wo sich dieser Tross in Bewegung setzt und du auch die ganzen Leute wieder siehst, die ganze Crew, das ist wie ein grosses Familientreffen. Es ist wie Urlaub, man ist gestresst muss seinen Koffer packen – oh scheisse, scheisse – hoffentlich habe ich nichts vergessen- hetzt zum Flughafen und wenn man dann im Flieger sitzt, atmet man dreimal tief durch und entspannt. So ist das bei uns tatsächlich auch.

Und das Touren selber, ja, es gibt stressige Situationen, wenn irgendwelche unvorhergesehenen Dinge passieren, ganz klar. Aber im Grossen und Ganzen machen wir uns die Zeit einfach auch schön und durch den Zusammenhalt den wir Bandintern haben, fangen wir uns gegenseitig auch immer wieder auf und geben uns gegenseitig kraft zurück.

Ich muss auch sagen – toi toi toi –  es gab in all der Zeit mit SCHATTENMANN noch kein einziges Mal einen wirklich ernstzunehmenden Disput in der Band oder in der Crew. Und das ist tatsächlich etwas was ich in meiner Zeit als Musiker in der Form an Harmonie noch nie erlebt habe. Das ist, glaube ich, auch irgendwie das Geheimnis bei SCHATTENMANN, dass wir alles so machen und realisieren können, weil wir einfach super miteinander auskommen und jeder auf den Anderen Rücksicht nimmt.

RN: Wenn Ihr auf Tour seid, habt Ihr dann auch mal Zeit die Städte in welche Ihr fahrt, zu besichtigen?

FH: Es kommt ganz, ganz selten vor, dass wir tatsächlich die Zeit und auch irgendwie die Musse finden um nach dem ausladen, dem Soundcheck usw. noch für zwei Stunden in die Stadt zu gehen und sich was an zu sehen. Wenn Clubs sehr zentral liegen und wir die Möglichkeit haben, dann machen wir das schon, aber es kommt leider viel zu selten vor. Was ich persönlich auch schade finde, weil wir so tolle Städte schon bereist haben, von denen ich einfach nichts gesehen habe. Das ist echt super schade, aber leider Gottes gibt es der Musiker- und Tour Alltag oftmals nicht her.

RN: Wie gross war der Druck von aussen und auch von Euch selbst – mit dem Album „Epidemie“ an den Erfolg von „Licht an“ anzuknüpfen oder gar zu toppen?

FH: Der Druck war absolut da. In Hamburg zum Beispiel – wurde ich interviewt und da hat der Reporter gemeint – Euer nächstes Album kann ja nicht besser werden. Das erste Album, dafür hat man ja Zeit, das ist ja quasi so ein „Best of.

Da habe ich dann schon geschluckt. Das war schon eine Aussage mit der ich echt erstmal zu kämpfen hatte. Tatsächlich hat mir das lang irgendwie zu denken gegeben und man führt ja auch Gespräche mit der Plattenfirma. Mit dem neuen Album „Epidemie“ kam ja auch der Wechsel zu AFM Records und da hat man schon gemerkt wie auch die Uhren anders ticken wie davor bei Drakkar Entertainment. Wie viele Dinge einfach anders angegangen wurden, nicht im negativen Sinne, aber man hat schon gemerkt, dass die Leute auch eine gewisse Erwartungshaltung an Dich und an die Band haben.

Ja und ich habe dann das gemacht was ich sehr gut kann – ich habe mir gedacht – wisst ihr was – fickt Euch! Ich wähle bewusst diese Wortwahl – fickt Euch – weil was anderes kannst Du in dem Moment nicht machen. Ich habe mir einfach wieder vor Augen geführt, dass es ja darum geht, was wir auch bei „Licht an“ gemacht hatten. Wir hatten Songs geschrieben, die uns bewegten. Wir hatten die Songs gemacht, die wir wollten und genau das gleiche haben wir dann auch bei Epidemie gemacht. Wir waren im Studio und – das war dann auch ganz witzig – denn irgendwie haben wir erst ganz am Ende, als alle Songs aufgenommen waren, das ganze zusammen angehört. Dann stand die grosse Frage im Raum – jetzt haben wir Songs aber ist es überhaupt schlüssig? Ist es ein Album? Was haben wir denn da im Gesamten fabriziert? Und tatsächlich entstand dieses Album indem wir einfach die Songs aufnahmen die uns bewegten und raus mussten. Dabei ist am Ende – meiner Meinung nach –  ein sehr stimmiges und super schönes Album entstanden, was uns eigentlich am wichtigsten war.

Wir haben echt keinen Wert darauf gelegt was der Druck von aussen irgendwie an uns heran trägt oder was für Erwartungshaltungen wir zu erfüllen „hätten“. Wir haben es intuitiv einfach gemacht. Und das war, glaube ich, die richtige Entscheidung, sonst hätten wir uns verzettelt.
Das kann ich auch nur jedem ans Herz legen – macht das worauf ihr bock habt – wenn es den Leuten gefällt – dann habt ihr glück und wenn nicht – naja dann muss man halt einfach auch dazu stehen. Wir haben das Glück, dass die Leute halt ausgerechnet das geil finden was wir zu Papier oder auf CD bringen.

RN: Der Zeitfaktor spielt da ja auch nur sekundär eine Rolle – solange man Themen hat die einem Bewegen und zu einem Song inspirieren.

FH: Genau und es ist wichtig, dass man dahinter stehen kann und sich selber mit dem was man tut zu tausend Prozent identifiziert. Wenn mich einer in zehn Jahren fragt – Hey wie findest Du denn jetzt im Rückblick die Epidemie – natürlich werden wir uns als Band in 10 Jahren weiterentwickelt haben und mit Sicherheit gibt es dann Dinge die man Rückblickend anders machen würde bei so einem Album. Eine CD ist ja auch immer eine Momentaufnahme eines gewissen musikalischen Stadiums. Wir als Band sind uns zu tausend Prozent einig, dass wir bei der „Epidemie“ oder bei der „Licht an“ unsere Möglichkeiten zu diesem Zeitpunkt voll ausgeschöpft haben und nichts hätten besser machen können oder wollen. Das ist das wichtigste, dass man zu 1000% dahinter steht und das tun wir.

RN: Euer melodischer Neue Deutsche Härte Sound, auch NDH 2.0 genannt, besticht ja durch teilweise sehr persönliche Texte welche aber auch viel Spielraum lassen für die Selbstinterpretation des Zuhörers. Was es dem Publikum oder Zuhörer leichter macht sich oder seine eigne Geschichte in Euren Liedern wiederzufinden. Zumindest ging es mir so.
Wie entstehen solche Songs bei Euch? Entsteht zuerst der Text und dann die Melodie dazu oder umgekehrt?

FH:  Ob wir einen Bauplan haben oder ob es bei uns so eine feste Reihenfolge gibt wie so ein Song entstehen kann? Nein bei uns ist das total confuse… oftmals haben wir – ich sag dazu einfach mal Playbacks. Instrumental fertige Songs die sich beim Proben oder während einer Jam Session einfach mal so entwickelt haben. Es passiert oft, dass wir die Musik haben und dann habe ich so ein schlaues Büchlein, da schreib ich immer meine Textideen rein. Meine kleine Sammlung von Schlagwörtern bis hin zu fertigen Texten. Da sind alle möglichen Gedankengänge drin und dann denkt man sich so… hey, das passt jetzt total geil da drauf oder irgendwie war jetzt nix dabei musikalisch und ich mach mir jetzt mal Gedanken, vielleicht fällt mir irgendwann noch etwas dazu ein.  So kann es genauso vorkommen, dass man für ein vorhandenes Textthema dann auch speziell Musik für schreibt. Oder es entsteht beides zusammen. Das kommt auch vor, dass man einfach dasitzt und irgendwie so ein Schlagwort im Kopf hat wie „Kopf durch die Wand“ oder ich erinnere mich an „Wahrheit oder Pflicht“. Beim Schreiben von „Wahrheit oder Pflicht“ hatte ich dieses Ding dahinter – hey dieses Spiel …spiel…spiel… spiel mit mir … ja ok cool und dann entstand daraus dann tatsächlich dieser Refrain Text und mit der Idee des Songs auch die Melodie tatsächlich zur gleichen Zeit dazu. Da habe ich mich irgendwann ins Studio gesetzt und hab dann den Song drum herum gebaut. Manchmal ist es auch nur ein Riff oder eine einzelne Melodie Phrase in Fetzen, der einen Song macht. Es ist tatsächlich total unterschiedlich bei uns.

RN: Gerne würde ich Dir noch ein paar Stichworte nennen, auf welche Du dann so ausführlich wie Du möchtest antworten kannst. Einfach was Dir gerade einfällt. Das erste wäre:

DARKROOM

FH: Verborgen, dunkel, keiner sieht was drin passiert, liegt im Verborgenen, nicht jeder muss alles wissen, keine Scheu davor zu haben Dinge auch mal aus zu probieren.

RN: EINZIGARTIGKEIT

FH:  Persönlichkeit, Mensch sein. Für mich ist Einzigartigkeit das was jeden Menschen zu einem Individuum macht. Jeder von uns ist einzigartig und das ist etwas was in der heutigen Zeit, meiner Meinung nach, auch ganz schnell und ganz leicht mal verloren gehen kann. Wir sollten uns unsere Individualität und unsere Einzigartigkeit bewahren. Denn das ist am Ende das, was uns zu dem macht was wir sind: unser Charakter, unsere Einzigartigkeit, unser Mensch sein.

RN: SOZIALE MEDIEN

FH: Pro und Contra / Shitstorm / Zusammenhalt / Ausgrenzung / Tatsächlich polarisiert dieses Thema total und „Epidemie“ ist auch ein Song, der sich damit auseinandersetzt. Ich denke, dass soziale Netzwerke für viele auch ein Ort sind um sich zu vernetzen, weil es natürlich auch soziale Netzwerke heisst. Dennoch glaub ich, dass soziale Netzwerke sowohl Fluch als auch Segen sind. Ich glaube, dass sie es in der realen Welt schwieriger machen, eben diese sozialen Kontakte zu halten und auch zu manifestieren. Schwieriges Thema – auf der einen Seite möchte keiner mehr drauf verzichten – auf der anderen Seite glaube ich, dass sich jeder von uns auch einfach mal eine Sozial Media freie Zeit wünschen würde.

RN: FRÖHLICHES SCHWARZ

FH:  Schwarz muss nicht immer traurig sein. Schwarz ist für mich nicht der Inbegriff von Dunkelheit, Frustration, des bösen oder was man auch immer typischer Weise so mit schwarz verbindet. Fröhliches Schwarz passt definitiv auch auf Schattenmann – wir machen auch gute Laune obwohl wir eine Band aus der schwarzen Szene sind. Auch wenn irgendjemand in der schwarzen Szene ist darf er fröhlich sein. Ich finde das beisst sich überhaupt nicht. Denn es gibt ja auch die verschiedensten töne schwarz. Farblich gesehen…matt, glänzend, helleres, tiefschwarz – ach was weiss ich – es gibt ja tausend Facetten. So bunt wie das Leben –  so bunt kann auch schwarz sein.

RN: Schönes Schlusswort. Danke dass Du Dir die Zeit genommen hast um Rede und Antwort zu stehen und wir freuen uns auf Eure Show.