stick men – deep muss man hören!
Was soll ein armer Schreiberling wie ich berichten, wenn man ihm eine CD vor den Latz knallt, die von Musikern eingespielt wurde, die entweder direkt bei KING CRIMSON oder in deren Dunstkreis mitgewirkt haben?
Was bitte können Musiker schlecht machen, die auf DEM Progrock-Fundament überhaupt aufbauen? Gleich zu Beginn und um die Spannung nicht unnötig zu verlängern – wir sind hier schliesslich nicht bei „Germany’s Next Top Dödel“ – das Album hält, was die Musikerpower verspricht.
Tony Levin und Pat Masteletto haben unter Peter Fripps musikalischer Überfuchtel jahrelang zur Stammbesetzung bei KING CRIMSON gehört und tun es immer noch. Und Markus Reuter spielt seit beinahe einem Jahrzehnt mit Masteletto im Duo TUNER, ergänzt das Trio also nahtlos.
„Deep“ ist das zweite Album der Band innert Jahresfrist. „Open“ war eher für Ambient-Freunde gemacht und konnte mich als Kind der CRIMSON-Generation nicht zufriedenstellen.
Auch wenn das nicht zwingend sein muss und immer gut ist – mit „Deep“ kehren die drei zurück zu dem, was KING CRIMSON einzigartig macht. Die Band setzt seit dreissig Jahren Trends in progressivem Rock – und das greifen STICK MEN auf.
Da werden absolut klassische Soundstrukturen aufgebaut, finden sich Elemente, welche die Musik von Übergrössen wie YES, PINK FLOYD, PETER GABRIEL oder den frühen GENESIS prägten – oder eben KING CRIMSON. Und gleichzeitig passt der Sound voll ins einundzwanzigste Jahrhundert, ist modern, bleibt innovativ.
So gesehen retten STICK MEN Traditionen und halten sie durch Weiterentwicklung am Leben. Hätten sich die obgenannten Bands bis heute erhalten und stetig weiterentwickelt – sie müssten so ähnlich klingen.
Spannend ist auch der Range an Instrumenten, welche das Trio auf der Bühne bearbeitet. Diverse Gitarren, klassische Instrumente wie Drums und Bass aber auch Kultiges wie den Chapman Stick. Hier gehört Tony Levin zu den profiliertesten Solisten dieser „Brettgitarre“ mit ein bis zwei Induktionspickups und irgendwas zwischen acht und zwölf Saiten. In der Metalszene findet sich das Instrument übrigens auch – etwa bei SALTATIO MORTIS, wo es von Bruder Frank traktiert wird.
Beim Hören von „Deep“ fühle mich schnell zuhause, wenn bei „Whale Watch“ quasi EMERSON LAKE & PALMER anklingen oder YES bei „Hide The Trees“. Das war neben Rock und Metal die Musik, die meine Jugend bestimmt hat.
Die aufgezählten Verbindungen sind fast zwingend, sind weder Kopien noch ein Abklatsch der damaligen Musik. Sie sind eine logische Folge davon, dass diese Musiker bei solchen Bands mitgewirkt und sich stetig weiter entwickelt haben. Darin besteht letztlich die Kunst, dass man trotz dieser Herkunft eigenständig bleibt.
STICK MEN bringen qualitativ sehr hochstehenden Sound, der jeden Freund progressiver Musik erfreut. Fans der genannten Bands werden das Album mögen.
Meine Favoriten sind das balladenhafte „Crack In The Sky“ und der Fusiontrack „Concussion“.
„Deep“ ist ein absolut hörenswertes Album, das viel aus der Vergangenheit, der Musikgeschichte erzählt und gleichzeitig darauf hinweist, in welcher Richtung die Zukunft liegen könnte. „Deep“ wird in jeder gepflegten ProgRockSammlung einen Platz beanspruchen.
