jonny lang im interview
Kurz vor  seinem Konzert im Zürcher X-Tra hatte ich Gelegenheit mit dem amerikanischen Blues-Rock-Gitarristen Jonny Lang zu sprechen.RTB:
Hallo Jonny, Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Zuallererst, kannst du mir die drei wichtigsten Dinge in deinem Leben nennen?
JL:
Zuallererst ist das die Beziehung zu Gott. Und dann weiss ich nicht, ob das zwei verschiedene Dinge sind, nämlich die Beziehung zu meiner Frau, auch zu meinen Kindern. Das könnte dasselbe sein. Aber sagen wir es doch so. Die drei wichtigsten Dinge in meinem Leben sind die Beziehung zu Gott, zu meiner Frau und zu meinen Kindern.
RTB:
Du lebst in Fargo, North Dakota. Also bist du ein Cowboy?
JL
(lacht…) Ja, ich wuchs auf einer Farm etwa dreissig Meilen westlich von Fargo auf. Also ja, ich bin ein Cowboy – wirklich!
RTB:
Also kannst du auch ein Pferd reiten?
JL:
Ja, mein Vater hatte eine Menge Pferde. Er war neben seiner Arbeit als Farmer ein Pferdetrainer. Ich war also ein wirklicher Cowboy.
RTB:
Ich war etwas überrascht; North Dakota ist nicht wirklich gross, Fargo ist mit etwas über einhunderttausend Einwohnern viel kleiner als Zürich
JL:
Ja, North Dakota hat so an die vierhunderttausend Einwohner, es ist also wirklich klein für amerikanische Verhältnisse.
RTB:
North Dakota ist in den Augen vieler Europäer wirklich Cowboyland, wilder Westen quasi. Es ist auf jeden Fall keiner der Südstaaten wie Tennesse. Ist es normal, dass man als Musiker, der in dieser Gegend aufwächst, Blues spielt?
JL:
Nein, da gibt es zwar einige Bands, die Country Music spielen, aber das ist es dann auch schon. Es gibt nicht so viel Abwechslung, was das anbelangt. Ich hatte aber das Glück, dass meine Eltern in der Beziehung sehr offen waren – sie haben mir den Weg zu viel verschiedener Musik geöffnet, mir beispielsweise Motown nähergebracht.
RTB:
Also hast du nie wirklich Country oder Bluegrass gespielt?
JL:
Nein, nicht wirklich. Die Lieblingsband meiner Mutter waren zwar THE JUDDS , also haben wir eine Menge davon gehört. Und natürlich auch andere Countrybands, aber das war nichts, was mich wirklich interessiert hat.
RTB:
Während meiner Recherchen habe ich gesehen, dass du mit einigen grossen Namen gespielt hast wie Buddy Guy, Ronnie Wood, Herbie Hancock, Joss Stone or Double Trouble. Das ist erstaunlich, wie bist du mit diesen Musikern zusammengekommen?
JL:
In den meisten Fällen war das per Telefon. Sie riefen an und fragten, ob ich mit ihnen zusammen etwas machen wolle. Das ist eigentlich der Normalfall. Häufig trifft man sich aber „on the road“, unterwegs, wenn man an denselben Festivals spielt, sich über den Weg läuft. Das Herbie Hancock Ding war, weil ich Jemand von der Plattenfirma kannte. Hancock ist einer der grössten Keyborder mit dem ich unbedingt einmal zusamenspielen wollte.
RTB:
Eine weitere, beeindruckende Geschichte, du spielst als Gast auf Leslie Wests neuem Album „Still Climbing“. Wer hat entschieden, „When A Man Loves A Woman“ zu spielen?
JL:
(lacht) Das war Leslie. Ich wusste nicht, was ich spielen oder singen sollte. Er wollte mit mir zusammen singen, also sagte ich: „Okay, okay, ich komme vorbei.“ Und dann erzählte er mir, dass das der Song sein würde. Und so spielte ich diesen Song.
RTB:
Es gibt eine Menge guter Gitarristen. Gibt es einen, der dich besonders beeinflusst hat?
JL:
Ja, Albert Collins und B.B. King haben mich gitarrenmässig sehr stark beeinflusst. Über die Jahre kamen dann verschiedene Leute hinzu. Jeff Beck etwa und viele weitere.
Im Allgemeinen hat mich Stevie Wonder am stärksten beeinflusst, er ist bestimmt meine grösste Inspiration als Song Writer und Musiker – da gibt es für mich keinen Grösseren. Auch sehr wichtig war James Taylor.
RTB:
Auf „Still Climbing“ spielten auch Johnny Winter und Mark Tremonti (CREED, ALTER BRIDGE). Was bedeuten dir diese beiden Musiker?
JL:
Mark Tremonti kenn ich nicht so gut. Aber Johnny Winter, weisst du, was soll ich sagen; der ist unglaublich. Der müsste, zusammen mit Muddy Waters, in jeder Plattensammlung vorkommen.
RTB:
Bevor wir über dein neues Album sprechen, habe ich noch eine Frage; gibt es ausser Motown oder Blues einen weiteren Musikstil, den du sehr gerne magst?
JL:
Ja, ich mag Folkmusik. Da gibt es einige Künstler in dieser Singer Songwriter Folk Ecke, Chris Whitley hat mich sehr stark beeinflusst, ebenso Grag Brown aus Iowa. Da gibt es auch einige Stücke von Tracy Chapman. Ein Genre, das ich gar nicht mag, gibt es eigentlich nicht. Ich finde in jedem Stil gute Musik oder Musiker.
RTB:
Dein neues Album heisst „Fight For My Soul“. Wer kämpft da für wessen Seele?
JL:
Das ist ja auch der Titelsong, in dem es um ein junges Mädchen geht, das auf dem besten Weg ist, Prostituierte zu werden, wie es ihre Mutter war und ihre Grossmutter. Und dann geht es da um diesen Jungen, der ebenfalls fast schon aus Tradition zum Alkoholiker wird, wie es sein Vater war und sein Grossvater.
Für mich ist der Song ein Bild dafür, dass jeder in seinem Leben entscheiden kann und muss, ob er einen „vorbestimmten“ Weg gehen will oder sich für einen anderen Weg entscheidet.
Das ist auch in meinem Leben ein grosser Kampf. Jeder hat irgendwelche Dinge in seinem Leben, aus seinem früheren Leben, seiner Kindheit, die ihn belasten oder beeinflussen und jeder muss seinen Weg gehen. Darum geht es in dem Song vor allem.
RTB:
„Breakin’ In“ ist ein Song, der hierzulande in den Radios gespielt wird und sich zum Hit entwickeln könnte – das ist aber kein wirklicher Blues mehr.
JL:
Ja, das ist die ganze Platte nicht mehr. Ich will ein wenig mehr Pop oder Rock spielen. Das ist etwas speziell bei diesem Album. Die Songs entstanden, tauchten auf und ich wollte sie so sein lassen, wie sie waren. Ich wollte sie nicht als Bluesrock umgestalten, nur weil die Leute das von mir erwarten.
RTB:
Das ist spannend, denn in den meisten Reviews zum Album, die ich gelesen habe, wird genau das fokussiert: „Fight For My Soul“ wäre zu poppig, enthalte zu viel Funk und Soul. Was sagst du dazu?
JL:
Ja, das ist so, definitiv. Da ist mehr Soul und Funk drin. Und das soll auch so sein. Mit dem Blues ist das so eine Sache. Den Blues kannst du nur soweit spielen, bis er wirklich Blues wird. Und genauso ist das beim Folk.
Es gibt nur noch einige Jungs, die den Blues als Erfahrung, als Teil ihres Lebens in sich haben. Das bin ich nicht, weil ich diese Erfahrung nicht habe. Ich kann eine Art modernen Blues spielen, aber das ist nicht DER Blues. Dafür fehlt mir die Erfahrung des Kampfes, der Unterdrückung, des Daseins als Minderheit. Ich lasse meine weitere musikalische Entwicklung auf mich zukommen.
RTB:
Hat es also doch etwas mit der Frage auf sich: How can a white man play the blues?
JL:
Definitiv, in jedem Fall!
RTB:
Wie würdest du dein Album beschreiben?
JL:
Wie ich das Jemandem beschreiben würde, der es noch nicht gehört hat… Ich würde sagen, dass es ein souliges Rockalbum ist. Es ist schwer, ein eigenes Album zu beschreiben. Ich weiss, was es mir bedeutet, aber es zu beschreiben ist schwierig, weil ich dann auf bekannte Dinge wie das Genre ausweichen muss. Auf Dinge eben, die jedermann versteht.
RTB:
Ein anderes Thema. Du bist die nächsten Monate mehrheitlich unterwegs, tourst durch Europa, die USA und dann wieder Europa. Und du hast Familie. Wie bringst du das zusammen?
JL:
Das ist sehr hart und ich habe das nie wirklich auf die Reihe gekriegt. Und seit ich Kinder habe, ist das noch schwerer. Ich versuche etwas auszubalancieren, das man nicht ausbalancieren kann. Auch wenn die Kinder mit auf Tour kommen können, das ist für sie so fremd, die Umgebung ist nicht gewohnt, so das es für sie nicht im Gleichgewicht ist. Permanent herumzureisen ist okay für mich, weil ich mein Leben lang nichts anderes getan habe. Nach einigen Tagen fragen sie mich jeweils; „Wie machst du das nur?“
Ich versuche, nicht zu lange weg zu sein, so viel Zeit wie möglich zuhause zu verbringen.
RTB:
Wie ist das, wenn du nicht auf Tour oder im Studio bist? Wie sieht dein Alltag aus?
JL:
Das ist ganz normal. Wir unternehmen etwas mit den Kindern, gehen aus in Freizeitparks oder ähnliches. Und dann kommen wir nach Hause, essen und gehen schlafen. Furchtbar banal und normal – wundervoll! Es ist wie Ferien für mich.
RTB:
Gibt es eine Interviewfrage, die du gerne einmal gestellt bekommen hättest, die dir aber nie gestellt wurde?
JL:
Nein, ich glaube nicht. Ich wurde wohl schon alles gefragt (lacht).
RTB:
Gibt es etwas, was du den Schweizer Fans sagen möchtest?
JL:
Also, ich liebe es, in der Schweiz zu sein. Jedesmal, wenn ich hier bin, muss ich irgendwohin gehen. Ich versuche, in die Berge zu gehen. Die sind beispielsweise sehr speziell hier. Ich mag die Landschaften, die sind wirklich einmalig. Und ich freue mich auf das Konzert und die Schweizer Fans!
RTB:
Jonny, dann danke ich dir dafür, dass du mir diese Fragen beantwortet hast und wünsche dir einen guten Azftritt im X-TRA heute Abend.
