trivium interview
Das folgende Interview mit Frontmann Matt Heafy und Gitarrist Corey Beaulieu von TRIVIUM stellte Warnermusic Deutschland zur Verfügung…
Bereits als euer letztes Album „In Waves“ erschien, hattet ihr schon die ersten Ideen für „Vengeance Falls“ gesammelt…
Matt Heafy: Richtig! Kurz nachdem die letzten beiden Platten rauskamen, begannen wir jeweils schon, uns mit den
folgenden Alben zu beschäftigen. Wir haben rausgefunden, dass es am besten für uns ist, dann zu schreiben, wenn wir
inspiriert sind und nicht zu vorgegebenen „Writing-Times“. Jedes Mal, wenn wir mit einer neuen Platte auf Tour gehen,
sammeln wir schon Ideen und erste Demos für die nächste.
Corey Beaulieau: Es ist sehr inspirierend, auf Tour zu schreiben, wenn man von den Auftritten Nacht für Nacht
automatisch eine Menge Adrenalin im Blut hat. Die Publikumsreaktionen tragen extrem dazu bei, neue Songs zu
komponieren. Man nimmt diese Begeisterung einfach in sich auf und lässt die Emotionen in die neuen Sachen einfließen.
Ich glaube, die kraftvollsten Songs sind bei uns bisher immer on Tour entstanden. Wenn wir von einer Tour nach Hause
zurückkehren, entspannen wir eigentlich nur und dürfen auch mal faul sein.
Der Albumvorgänger „In Waves“ war euer bisher erfolgreichstes Album. Wie seid ihr an „Vengeance Falls“ herangegangen?
MH: Als wir „Ember To Inferno“ und „Ascendancy“ aufnahmen, hatten wir keine Fanbase, also haben wir einfach die
Musik gemacht, die wir toll fanden. An „Crusade“ sind wir dann mit dem konkreten Plan herangegangen, etwas zu
machen, was sich von den vorherigen Sachen abheben sollte, ebenso „Shogun“. Bei „In Waves“ war der generelle Plan,
uns selbst zu verwirklichen; ohne Rücksicht, ob es den Leuten gefallen würde oder nicht. Es ging nur darum, was wir
selbst hören wollten. Ähnlich ging es uns auch mit dem neuen Album – eine Platte mit Songs, die wir gerne hören.
Wie würdest du „Vengeance Falls“ in eigenen Worten beschreiben?
MH: Es geht auf diesem Album einzig und alleine um gute Songs. Ich denke, es vereint die besten Elemente unserer
vorherigen fünf Releases auf einem Longplayer. „In Waves“ war so etwas wie eine Neuerfindung für uns. Auf dem neuen
Album fassen wir die verschiedenen Facetten unseres Sounds noch einmal zusammen.
Ihr habt schon immer versucht, dem Metal eine neue, moderne Note und eine neue Richtung zu geben. Ist euch „normaler“ Metal zu langweilig?
MH: Nein, überhaupt nicht. Um etwas Neues zu kreieren, muss man auch neue Ideen in seinem Sound zulassen. Wir alle
bringen unterschiedliche Elemente und Einflüsse in unseren Gesamtsound mit ein, obwohl jeder von uns durch die
gleichen Bands zum Metalhead wurde: Metallica, Megadeth, Pantera, Slayer, Iron Maiden, Judas Priest, Black Sabbath.
Die Bands, durch die wir alle wohl irgendwie mit Metal infiziert wurden. Man sieht gerade heute viele Metal-Combos, die
auch artfremde Einflüsse mit in ihren Sound aufnehmen. Wir hatten zu keiner Zeit Angst, uns auch von anderen Genres
inspirieren zu lassen. Wir waren schon immer große Extreme Metal-Fans. Jeder von uns hat außerdem enorme Melodic
Death Metal-Roots. Corey, Nick und Paolo sind tierische Death Metal- und Thrash Metal-Fans, während ich ziemlich auf
Melodic Death Metal und Black Metal stehe. All diese verschiedenen Genres haben zu unserer Entwicklung beigetragen
und dazu, uns selbst zu finden. Wir nehmen traditionellen Metal und lassen neue Sachen einfließen. Bei „In Waves“ hatten
Filme einen großen Einfluss auf das Songwriting. Das ganze Coverartwork von „Vengeance Falls“ zum Beispiel wurde von
den Bildern des polnischen Malers Zdzisław Beksiński inspiriert. Wir lassen alles in unserem Sound zu, was zu
einem tollen Song beiträgt: Egal ob klassische Musik oder selbst Dinge, die wir selbst gar nicht so sehr mögen, die unsere
Musik aber auf ihre Art bereichern. Man kann von jedem Musikgenre etwas lernen. Es geht nur darum, Grenzen zu
sprengen und über den Tellerrand hinaus zu schauen. Mit „In Waves“ haben wir die Sicht der Leute verändert, wie eine
Metalband auszusehen hat, wie ihre Videos auszusehen haben etc. Wir machen nur unser Ding, das Trivium-Ding.
Wird es mit der Zeit härter oder schwerer, immer wieder neue Wege zu gehen?
MH: Leichter. Bei „In Waves“ haben wir alleine eineinhalb Jahre am Visual-Konzept gefeilt. Bei dieser Platte haben wir
meine Zdzisław Beksiński-Einflüsse inkl. der Texte und des Albumtitels genommen, und sie unserem
Cover-Artist gegeben. Der Entwurf, den man heute auf dem sieht, war sein erster Versuch und er war perfekt! Alles ist
heute eine natürliche Entwicklung.
Was war bisher eure größte Herausforderung als Band?
MH: Ganz sicher, zusammen als Menschen und als Musiker in einer gemeinsamen Band aufzuwachsen. Wir haben alle
als Teenager in Trivium angefangen und sind dann ganz langsam in unsere Rollen hineingewachsen. Mit unseren ersten
drei Alben haben wir das aufgebaut und den Grundstein dafür gelegt, was wir heute immer weiter fortführen und
weiterentwickeln. Es gab unglaublich viele Dinge, die wir während dieser Zeit gelernt haben. Sowohl an unseren
Instrumenten, als auch abseits der Bühne.
Würdest du „Vengeance Falls“ als das bisher reifste, erwachsendste Trivium-Album bezeichnen?
MH: Ganz sicher! Für Kids von gerade mal 18, 19 oder 20 Jahren ist es sehr schwer zu akzeptieren, dass jemand
möglicherweise nicht Fan deiner Band ist. Also versucht man in einer solchen Situation, auf Biegen und Brechen gemocht
zu werden. In seiner jugendlichen Naivität tut man alles, um neue Fans zu bekommen. Je älter wir wurden, desto mehr hat
uns diese Band zusammen geschweißt. Wir haben heute eine viel dickere Haut als damals; wir tun, was wir tun. Und das
ist auch gut so. Es gibt viele Bands, die von kleinen Details besessen sind und ihre Zeit mit unwichtigem Kram
verschwenden. Wir haben über die Jahre gelernt, wir selbst zu sein. Einfach Trivium.
CB: Heute wissen wir besser denn je zuvor, wo wir hinwollen und wie wir Dinge anpacken müssen. Ganz egal, ob es um
die Musik geht, die Visuals oder um die Liveshows. Wir hören heute nicht mehr wie früher auf die Meinungen Dritter,
sondern tun das, was wir für das Beste für Trivium halten.
Ihr habt auf der Platte mit Disturbed-Frontmann David Draiman gearbeitet. Welche Erfahrungen habt ihr mit ihm gemacht?
CB: Es war phantastisch! Wir kennen ihn schon eine ganze Weile und haben ihm eine Promo-CD unseres letzten Albums
„In Waves“ gegeben, kurz bevor es damals erschien. Er war sofort begeistert und bot uns an, die nächste Platte zu
produzieren. Zuerst wussten wir nicht Recht, ob wir darauf eingehen sollen, weil wir nicht wussten, ob und was er als
Producer drauf hätte. Ein paar Monate später besuchten wir ihn Zuhause und sprachen bei ein paar Bieren über eine
Zusammenarbeit und was unsere Vorstellungen in Bezug auf die nächste Platte waren. Es stellte sich schnell heraus, dass
wir die gleichen Ideen und Pläne hatten! Schon während der Pre-Production stellte sich dann heraus, dass David eine
absolut perfekte Wahl war! Er hat uns wirklich an unsere Grenzen und oft auch darüber hinaus geführt.
Kurz vor den Aufnahmen zu „Vengeance Falls“ seid ihr während einer Tour in einen Kampf mit einer Straßengang verwickelt worden. Was war da los?
MH: Eigentlich kein großes Ding. Einfach pure Gewalt, die jedem Menschen zustoßen kann, wenn er sich nachts in
dunklen Ecken bewegt… Es hatte jedenfalls nichts mit der Band und auch nichts mit uns als Personen zu tun. Wir kannten
sie nicht, sie kannten uns nicht. Unser Bassist, unser Manager und ich kamen eines Nachts zurück vom Abendessen, als
wir erst von fünf, dann schließlich von 15 Kids angegriffen wurden. Wir mussten ein paar Schläge einstecken, mein
Manager hat sich die Schulter ausgerenkt und es wurde mit einer scharfen Kanone auf uns gezielt. Doch glücklicherweise
ist abgesehen von ein paar Blutergüssen und einigen Sachen, die zu Bruch gingen, nichts Ernstes passiert. Wir sind noch
einmal buchstäblich mit einem blauen Auge davon gekommen. Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, wurde mir
wieder einmal meine Enttäuschung über die menschliche Rasse vor Augen geführt – etwas, mit dem ich mich auf
„Vengeance Falls“ näher beschäftige.
Es geht auf „Vengeance Falls“, wie im Titel angedeutet, um Rache und blanke Gewalt...
MH: Richtig. Um den Kampf Mensch gegen Mensch und was noch so für Scheußlichkeiten aus unseren kranken Hirnen
geboren werden. Jedes Mal, wenn man die Nachrichten anschaltet, hört man nur grauenhafte News. Bei uns in den
Staaten vergeht kein Tag, an dem nicht unschuldige Menschen grundlos von irgendwelchen kranken Irren umgebracht
werden. Auf dem Album bitten wir um Rache und Vergeltung für alle, die es verdienen. Genauer gesagt, geht es um die
inneren Kämpfe, die ich mit mir selbst auszutragen habe und natürlich um die starken Emotionen, die einen angesichts
dieser ganzen negativen Scheiße überkommen. Dementsprechend ist es ein sehr düsteres, ein sehr wütendes Album
geworden. Ein Album ohne auch nur das kleinste Licht am Ende des Tunnels…
Trotzdem hat es eine positive Botschaft!
MH: Die Botschaft ist, dass jeder von uns negative Energie in etwas sehr Positives verwandeln kann, statt sich selbst
oder andere zu verletzten oder umzubringen. Wir haben all diese schlechten Vibes in Songs verpackt, zu denen sich die
Leute richtig austoben können. Wir wollen die Hörer dazu ermutigen, diese Strategie für sich zu nutzen. Und wir wollen
zum Ausdruck bringen, dass Geisteskrankheiten und mentale Störungen wirklich ernste Dinge sind, die unbedingt
behandelt werden müssen.
CB: Das ist der große Vorteil von Metal: Man kann über diesen ganzen düsteren Kram sprechen und seine Emotionen
rauslassen. Wenn man sich am Boden fühlt und nicht weiß, was einem helfen kann, hilft es einem wenig, sich Songs
darüber anzuhören, dass die Welt nur aus Sonnenschein und Regenbögen besteht. Man braucht etwas, was die eigene
Situation reflektiert und in dem man sich wieder finden kann. Manchmal reicht es, dass ein Stück einfach nur die knallharte
Wahrheit über die Dinge erzählt, wie sie nun einmal sind, statt einem bonbonbunte Lügenm.rchen aufzutischen, die
sowieso niemand glaubt. Selbst wenn es kein Happy End gibt, so wissen die Hörer doch, dass sie mit ihren Gefühlen nicht
alleine dastehen, sondern dass wir alle im selben Boot sitzen. Für niemanden von uns gibt es ein Happy End – das haben
wir alle gemeinsam.
Wurde das Albumthema von diesem Zwischenfall mit der Straßengang inspiriert oder hattet ihr es schon vorher im Kopf?
MH: Nein, die Erlebnisse haben sich nur zu dieser endlosen Liste mit Dingen addiert, die in meinen Augen falsch auf der
Welt laufen.
CB: Auf den ersten Blick scheinen die meisten Menschen echt sehr umgänglich und cool zu sein. Doch wenn man sie ein wenig näher kennen lernt, fragt man sich, warum sie solche Arschlöcher geworden sind und sich gegenseitig solche schrecklichen Dinge antun.
Habt ihr eine Antwort auf die Frage gefunden, weshalb sich Menschen gegenseitig diese schlimmen Dinge antun?
MH: Nein. Wenn man sich einmal die Geschichte der Menschheit anschaut, gab es diese Gewalt schon von je her. Zwar
schien alles oberflächlich betrachtet mit der Zeit besser zu werden, trotzdem hat sich im Grunde nichts wirklich geändert.
Rassismus, Homophobie, Sexismus – das alles hat eher noch zugenommen. Alles Themen, die wir immer schon
thematisiert haben. Man kann den Menschen durch Bildung beibringen, dass es so heute nicht mehr sein muss und dass
es auch anders geht! Sie lehren, jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Wir hätten viel weniger Stress miteinander,
wenn wir alle Menschen so behandeln würden, wie wir selbst gerne von ihnen behandelt würden. Es gibt absolut keinen
Grund, uns wegen so unwichtiger Banalitäten wie unserer Hautfarbe, unserer Lebensart oder der Frage, welches
Geschlecht wir lieben, zu bekämpfen und gegenseitig umzubringen!
Also ist das Album als Spiegel der Gesellschaft zu sehen?
MH: Es ist definitiv ein Weckruf an alle, die diese verabscheuungswürdigen Taten begehen. Momentan handeln die
meisten Songs im Radio davon, dass alles eine riesige Party ist. Die ganze Welt ist eine Disco und wir müssen uns bloß
mit irgendwas zuschütten, dann ist alles schön und nice. Doch wir alle wissen, dass die Realität anders aussieht. Die Welt
ist ein düsterer und Furcht einflößender Ort. Ich sage nicht, dass wir alle nur noch depressiv mit hängendem Kopf und
völlig desillusioniert herum laufen sollen; ich sage, man sollte sich aber klarmachen, dass da draußen Krieg ist und dass
man sich sein eigenes Leben so schön wie möglich machen sollte! Ein guter Mensch sein und auch Anderen Gutes tun!
Der alte Kampf Gut gegen Böse…
MH: Es gibt im Rockbusiness viele Bands, die dieses Sex & Drugs & Rock N Roll-Klischee leben. Das haben wir auch mal gemacht, als wir 17 oder 18 waren. Heute haben wir Dinge zu sagen, die uns wichtig sind. Die klare Botschaft ist:
Alles könnte besser sein, solange sich jeder von uns darüber bewusst ist, dass es so ist. Im Leben geht es nur um
Respekt voreinander. Es ist möglich, die Welt zu verändern. Jeder von uns kann dies auf seine Weise tun. Und es ist
auch nichts Schlimmes, jemanden um Hilfe zu bitten, wenn es einem schlecht geht. Meine Songs sind meine ganz
persönliche Therapie. Wenn ich über diese Dinge singe, kotze ich all diese negativen Sachen hinaus in die Welt. Gerade
bei uns in den Staaten werden psychische Probleme nicht wirklich ernst genommen. Menschen, die diese mentalen
Störungen haben, werden wie große Babys behandelt. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es sich um
ernstzunehmende Probleme handelt, bei denen man sich unbedingt helfen lassen sollte.
