Marc Friedrich von ATOMIC SYMPHONY im Interview
Ende Juni konnte ich mit Marc Friedrich über das neue Album „Nemesis“ sprechen. Weshalb sich Gitarrist Roberto manchmal die Finger verbiegen musste, die Single „Enslaved“ bereits vor über einem Jahr veröffentlicht wurde und warum „Nemesis“ doch nicht ganz so neu ist, gibt es im Interview nachzulesen.
Stephan Lipp
Mit „Nemesis“ (Review: ATOMIC SYMPHONY – „Nemesis“ – rocknews switzerland) haben ATOMIC SYMPHONY Anfangs Juli 2023 den Nachfolger zum fast genau ein Jahr zuvor erschienenen Album „Hybris“ (Review: ATOMIC SYMPHONY – „Hybris“ – rocknews switzerland) veröffentlicht. Auch „Nemesis“ bietet wieder astreinen, klassischen Progressive Metal mit ein paar Symphonic Metal anleihen und knüpft somit nahtlos an den Vorgänger an. Rocknews hatte Gelegenheit, mit Marc Friedrich – Schlagzeuger und Kopf der Band – über die Musik von ATOMIC SYMPHONY zu sprechen.
Rocknews: Mit „Nemesis“ folgt knapp ein Jahr nach „Hybris“ bereits ein neues Album von ATOMIC SYMPHONY, zumindest für mich kam das eher überraschend. Die Vorabsingle „Phoenix“ macht schon mal Lust auf mehr! Wie kam es denn dazu, so kurz nacheinander zwei Alben zu veröffentlichen?
Marc Friedrich: Freut mich, dass dir „Phoenix“ gefällt! Tatsächlich hatten wir die Songs für „Nemesis“ bereits zusammen mit den Hybris-Songs aufgenommen, die sind also schon über ein Jahr fertig. Ursprünglich wollten wir alle Songs auf einem Album herausbringen. Das wären dann fast 80 Minuten Laufzeit geworden. Irgendwann kam der Punkt, an dem wir beschlossen, die Songs auf zwei Alben aufzuteilen. Die Entscheidung kam allerdings recht spät, da hatten wir bereits den Song „Enslaved“ als Single ausgekoppelt, der letztlich dann erst auf dem diesjährigen „Nemesis“ Album zu finden war.
Das Artwork von „Hybris“ und „Nemesis“ ähnelt sich auch, das soll vermutlich auf die eigentliche „Einheit“ der beiden Alben hinweisen?
Ganz genau. Auf „Nemesis“ finden sich nicht einfach nur Songs, die wir für das Vorgängeralbum nicht verwendet haben, sondern es ist die Fortsetzung der Geschichte, welche auf „Hybris“ ihren Anfang nimmt. Mit dem Coverartwork in Orange/Rot respektive Blau wollten wir tatsächlich die Verbundenheit der beiden Alben unterstreichen und trotz unterschiedlicher Veröffentlichungsdaten zu einem Ganzen verschmelzen lassen.
Nun gibt es ATOMIC SYMPHONY ja schon einige Zeit – seit 2009. Nach einigen Besetzungswechseln und mit dir als einziges Gründungsmitglied wurde 2015 euer Debut „Redemption“ veröffentlich, dass sowohl vom Stil als auch vom Sound noch ziemlich anders tönte…
Bei „Redemption“ wollten wir musikalisch eher noch in die Richtung Symphonic Metal. In den sieben Jahren zwischen „Redemption“ und „Hybris“ haben sich aber unsere Hörgewohnheiten etwas geändert und damit auch der Stil der Band. Von der Produktion her haben wir „Hybris“ und „Nemesis“ bei Tommy Vetterli aufgenommen. Das wiederum hat den Sound positiv beeinflusst. Einerseits natürlich Tommy mit seiner unglaublichen Erfahrung und durch die professionellen Aufnahmen im Studio, andererseits konnte uns Tommy mit seinem Wissen beistehen und da und dort noch das eine oder andere Prozent mehr Leistung aus uns rausholen. Natürlich sind wir als Band und Musiker in diesen 7 Jahren gewachsen und haben uns weiterentwickelt, auch songwriterisch. Das ganze resultierte dann in „Hybris“ und „Nemesis“.
Apropos Songswriting: Wer schreibt bei ATOMIC SYMPHONY die Songs? Oder jammet ihr im Proberaum, sammelt Ideen und verknüpft die Schnipsel dann zu kompletten Songs?
Mit dem Jammen ist das so eine Sache. Damit man sich nicht darin verliert, muss jemand den Lead übernehmen und mindestens eine grundliegende Idee haben, wo es hingehen soll. Das ist nicht so unser Ding. Die meisten Songs werden von mir geschrieben. Ich arbeite eine Grundidee oder ein Riff aus, das geht dann zu Roberto (Gitarre) und so nimmt es dann seinen Lauf und wird mit der gesamten Band zu einem Song.
Interessant, das gibt es nach wie vor nicht sehr oft, dass der Drummer für das Songwriting zuständig ist! Das heisst, neben Drums spielst du noch ein anderes Instrument?
Nicht so wirklich. Ich habe zwar im Rahmen meines Musikstudiums neben dem Schlagzeug noch ein Zweitinstrument „gelernt“, aber nein, ich kann es nicht so wirklich spielen. Vom Schlagzeug her habe ich den Rhythmus im Kopf, dazu schreibe ich dann Gitarrenlinien oder Riffs. Die spiele ich aber nicht ein, sondern programmiere sie mehr oder weniger Ton für Ton in einem Musikprogramm. Man kann sich das so vorstellen, dass ich die Noten der einzelnen Töne zeichne, daraus gibt es dann eine Melodie oder eben ein Riff und letztlich einen Song. Manchmal liegen diese Ideen über Monate bei mir rum, bevor sie dann finalisiert werden.
Das tönt spannend. Dann übergibst du deine Komposition an Roberto, der es auf der Gitarre dann umsetzt?
So ungefähr. Roberto schaut sich die Linien dann an und meint oft: Ich habe keine Ahnung, wie ich das spielen soll! Trotzdem findet er jedes Mal einen weg. Es sind wohl oft Riffs und Ideen, die er als Gitarrist so nie selbst schreiben würde, ha ha ha.
Vielleicht ist es genau das, was den Sound von ATOMIC SYMPHONY ausmacht. Mit frischem und unvoreingenommenen Kopf – ungeachtet der „Möglichkeiten“, die ein Instrument mit sich bringt – einen Song schreiben und so ganz neue Strukturen und Ideen schaffen. Als Instrumentalist ist man ja oft – gewollt oder ungewollt – an das gebunden, von dem man weiss, dass es das Instrument hergibt. So ein differenzierter Ansatz scheint durchaus den gewünschten Effekt zu erzielen. Im Gegensatz zu vielen anderen Progressive Metal Veröffentlichungen der letzten Monate und Jahre haben für mich ATOMIC SYMPHONY am ehesten den „oldschool“ Charakter aus den Anfang 90ern, als der Prog Metal quasi erfunden wurde. Also, Songs, die als Songs zu erkennen sind, aber mit den unisono Zwischensequenzen und Instrumentalteilen wie sie von DREAM THEATER und Konsorten zelebriert wurden., was mir persönlich zusagt. Womöglich sollten mehr Schlagzeuger Songs schreiben! Heisst das, dass du alle Songs schreibst?
Nicht ganz. „Last Of Our Kind“ zum Beispiel stammt zum Beispiel von Carlo (Keys). Ebenso „Metamorphosis“ und „Hybris“ vom zweiten Album. Und Thomas hat „Chimera“ beigetragen. Roberto hat zu vielen Songs Parts abgeliefert. Ich bin also hauptsächlich für die Longtracks zuständig! Die Lyrics stammen allesamt von Jasmin.
Das wären dann wohl „NEMESIS I: Awakening“ und „NEMESIS II: Arrival“ auf dem aktuellen Album… ATOMIC SYMPHONY hat offenbar eh einen Hang dazu, die Alben mit den längsten Stücken anzufangen und die Hörer schon mal richtig von Beginn weg zu fordern!
Beides richtig. „NEMESIS“ I und II waren sogar ursprünglich als ein einzelner Longtrack gedacht gewesen. Das wären dann fast 19 Minuten für einen Song geworden! Es hat sich dann aber doch so ergeben, dass wir ihn aufgeteilt haben.
Neben der freudigen Nachricht des halbwegs unerwarteten neuen Albums kam bald darauf die Hiobsbotschaft: Es wird wohl euer letztes Album gewesen sein. ATOMIC SYMPHONY gehen getrennte Wege!
ATOMIC SYMPHONY gibt es in dieser Besetzung seit fast 10 Jahren. In dieser Zeit haben wir 3 Alben heraus gebracht, unseren Stil verfeinert und auch ein paar tolle Gigs spielen können. Nach den Aufnahmen zu „Hybris“ und „Nemesis“ war dann aber für den Moment die Luft raus. In den 10 Jahren hat sich persönlich viel bei uns allen getan und ATOMIC SYMPHONY war nicht mehr bei allen die Priorität, die es hätte sein sollen, um mit der Band weiterzumachen. Wir haben dann noch 1, 2 Gigs gespielt, aber es hat sich einfach nicht mehr zusammengefügt. Daher haben wir uns entschieden, das Abenteuer ATOMIC SYMPHONY zu beenden…
… was ich persönlich sehr schade finde, da gerade dieser ursprüngliche Prog-Sound selten geworden ist. Aber eine Band aufrecht zu erhalten, gerade wenn man in so jungen Jahren zusammen gekommen ist, ist auch keine einfache Sache. Dir wird es ja zumindest nicht langweilig, denn du schwingst deine Drumsticks ja beispielsweise auch bei ILLUMISHADE. Da ist ja auch einiges im tun?!
Mit ILLUMISHADE steht tatsächlich einiges an. Wir haben verschiedene Konzerte geplant, neue Songs wird es auch geben, da kann man gespannt sein!
Da freue ich mich drauf. Marc, vielen Dank für deine Zeit und den Einblick in „Hybris“ und „Nemesis“, die sich noch oft auf meinem virtuellen Plattenteller drehen werden.