KILLSWITCH ENGAGE im Interview

KILLSWITCH ENGAGE im Interview

Am Samstag dem 9. November war es uns möglich, den vielbeschäftigten Musiker Joel Stroetzel [Lead and Rhythm Guitar] von KILLSWITCH ENGAGE, in einem kurzweiligen Zeitrahmen von 20 Minuten zu interviewen. Joels Antworten waren aufschlussreich und sehr interessant. Die besten Fragen des Interviews findet ihr hier.

Interview Fabian Hofmann, Bilder Alexandra Rothlin

RN: Joel schön dich zu treffen. Super, dass es geklappt hat. Wie geht es dir?

Mir geht’s gut. Heute ist fast schon der letzte Tourtag, also bin ich im Moment auch dementsprechend erschöpft.

RN: Also beginnen wir doch mit ein paar auflockernden Fragen für das Interview. Zuerst möchte ich dir aber noch klar machen, dass einige Fragen dir vielleicht zu weit gehen. Falls dies der Fall sein sollte, musst du auch nicht antworten, wenn du nicht willst.

Klar, aber keine Sorge; ich gehe sehr offen mit meinem Leben um.

RN: Du hast letztes Jahr einen familiären Zwischenfall gehabt, welcher sehr hart für dich war. Um was ging es dabei genau?

Ein enger Onkel von mir starb. So kam es dazu, dass ich die Tour leider früher als angenommen beenden musste. Es war eine schwierige Zeit für die ganze Familie, aber wir haben sie ganz gut überstanden. Es macht mir übrigens nie Spass eine Tour abzubrechen, aber die Familie geht nun halt immer vor.

RN: Magst du das durch-die-Welt-touren?

Im Grund genommen; auf jeden Fall. Es wird aber sehr ermüdend nach einer eher langen Zeit. Acht Monate sind schon heftig. Solange es eine vernünftige Balance zwischen Tourzeiten und Zeitfenstern gibt, welche man zuhause verbringen kann, schätze ich das umherreisen sehr. Immer nach einer abgeschlossenen Tour, benötige ich ein paar Tage um mich regenerieren zu können.

RN: Was macht dir mehr Spass, durch die Welt reisen und Gigs zu spielen oder eher neue Songs zu schreiben?

Ich denke für mich persönlich, macht das nicht wirklich einen Unterschied. Denn wenn du vom Touren die Schnauze voll hast, dann beginnt meist wieder die Phase, in welcher wir neues Material schreiben müssen. So bleibt für mich mein Leben oftmals sehr ausgewogen.

RN: Da stimme ich dir gerne zu. Die Inspiration für den Bandnamen KILLSWITCH ENGAGE kommt von einer Episode(Episode 11, Kill Switch) aus der berühmten Fernsehserie Akte X (X-Files). Ich selbst bin in den 90ern geboren und habe nie die X-Files gesehen, zumindest nicht ganze Staffeln. Deshalb wollte ich dich fragen, was genau die Geschichte hinter dem Fakt ist. Kannst du uns das vielleicht genauer erklären?

Ja natürlich. Ich denke es war nur der Satz; «Kill Switch Engage» welcher von einer Person gesprochen wurde. Mike D’Antonio dachte sich, dass wir uns in sich auflösenden Bands befanden. Viele Dinge kamen zu einem Stillstand. Ich war beispielsweise in Aftershock. Jesse Leach war in Corrin und Overcast. Alle diese Bands fanden ein abruptes Ende und wir standen mit nichts da. Da bot sich dieser Name automatisch an, um die Leute wissen zu lassen, dass eine neue Band entstanden sei.

RN: Du hast in Berklee, welches ein College in Boston ist, begonnen Musik zu studieren. Wie kam es dazu?

Habe ich, aber ich besuchte nur ein Semester lang die Veranstaltungen. Es war eine tolle Erfahrung, aber auch jede Menge Arbeit. Am Ende des Semesters gehörte ich zu den Studenten, welche nicht weitermachen wollten. Ich habe Musik ein kleines bisschen in der High School studiert und habe als ich sehr klein war Gitarrenunterricht genossen. Damals glaubte ich, dass ein solches Studium ziemlich passend für mich sein würde. Aber im Studium lernte ich auch Adam Dutkiewicz kennen und wir sind bis heute sehr gute Freunde geblieben.

RN: Was war der Grund für dein Ausscheiden aus dem Studium?

Ich war auf jeden Fall genügend in meinen Leistungen. Das Problem war, dass ich dachte Berklee wäre eine Schule für Heavy Metal und das wir lernen harten, metallischen Sound zu produzieren. Am Ende spielte ich vor allem Jazz und bewältigte enorm viele Mathematik- und Englischaufgaben. Ich wusste das Zuhause alle diese Kurse viel billiger zu haben waren als in Berklee. So reifte schnell der Plan heran diese Kurse in meinem Heimatort zu besuchen und die Musikfächer dann in Berklee zu belegen. Ein paar Jahre später begannen die Touren mit KILLSWITCH ENGAGE und so konnte ich das nie weiterverfolgen oder gar abschliessen.

RN: Ab wann war für dich der Durchbruch mit Kilswitch Engage?

Als wir unseren ersten Vertrag mit Roadrunner Records abschlossen. Zu dieser Zeit war das Label für uns genau gross genug. Sie gaben uns ein ansehnliches Budget um ein gutes Musikvideo und einige neue Songs zu kreieren. Nach einer kurzen Zeit sandten sie uns auf unsere erste Tour. Es waren einige Jahre nötig, um seinen Lebensunterhalt durch die Musik zu verdienen. Klar machen wir jetzt Geld damit, aber das ist eine enorme Arbeit. Ich dachte mir, dass ich mindestens einige Jahre meines Lebens diese Chance widmen sollte, wenn es dann nicht funktionierte konnte ich immer noch aussteigen. Ich glaubte damals, dass ich es möglicherweise später bereuen würde. Am Ende hats für mich funktioniert.  Es sind nun genau 20 Jahre vergangen.

RN: Glaubst du persönlich dich durch die Band weiterentwickelt zu haben?

Ja, ich selbst bin überzeugt, dass wir uns weiterentwickelt haben. Jedes Bandmitglied ist auf die eine oder andere Weise effizienter geworden. Was vor allem das Songwriting und die einzelnen Ideen der Musiker zusammen zu bringen betrifft. Natürlich muss diese Eigenschaft nicht unbedingt immer etwas Gutes sein. Als wir mit KILLSWITCH ENGAGE anfingen, waren wir alle in demselben kleinen, miefigen Raum und jammten gemeinsam stundenlang. Die Songs wurden so  einzeln, aus dem musikalischen Marmor herausgearbeitet und wir hörten erst damit auf, wenn alle Bandmitglieder mit dem Ergebnis zufrieden waren. Vielleicht werden, wir das auf dem nächsten Album wieder so machen. Da wir heute über die Staaten verteilt leben, schreibt jeder selbstständig seine Ideen auf. Wenn wir dann genug Ideen haben, treffen wir uns gemeinsam und erschaffen das neue Album. Wir sitzen dann alle vor einem Computer und Adam arrangiert die Drums, Gitarrenspuren und den Bass auf dem Computer. Klingt nicht sehr nach Rock ‘n’ Roll, nicht wahr?

[Er zeigte ein schmunzelndes Lächeln. Reaktion unsererseits; schallendes Gelächter]

RN: Nein, gar nicht! Ich bin sehr neugierig, da ich vernommen habe, dass ihr etwa um die 20 Songs geschrieben habt. Schlussendlich finden sich aber nur elf musikalische Werke auf der neuen Scheibe. Wie habt ihr entschieden, was auf die neue Platte kommt und was nicht?

Da muss ich dir schon im Voraus sagen, das war eine harte Entscheidung. Wir hatten so um die 20 Demos. Gleichzeitig haben wir etwa 17 Stücke gesamthaft aufgenommen. Wir tendierten dazu auf Jesse’s geschriebene Stücke zu fokussieren, weil er oftmals die besten Melodien und die mitreissendsten Melodien schreibt. Also werfen wir ihm oftmals einige Ideen an den Kopf und er gibt dann seine Meinung dazu ab. Dies kann als Basis für unsere Entscheidungen angesehen werden, aber ist natürlich nicht der einzige Faktor. Wenn wir dann die Aufnahmen alle gemacht haben, wählen wir unsere Favoriten aus. Natürlich hat jeder seine eigenen Favoriten, da wir bei diesem Werk extrem unterschiedliche Meinungen hatten, war es eine mühselige Entscheidungsfindung. Als wir dann dachten das Album wäre endlich fertig, kam es zu einer Diskussion zwischen Management und Band indem sie proklamierten, welche Songs aus ihrer Sicht unbedingt veröffentlicht werden sollten.  Also veränderten wir nochmals die Kombination der einzelnen Songs.

Die anderen Songs werden wir vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt als B-Sides oder als etwas anderes veröffentlichen. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit den Songs etwas machen werden. Doch wie das reale Ergebnis, dann wirklich aussieht kann ich euch nicht sagen.

RN: Studiomusiker oder Musiker in einer Band, ist einer der begehrtesten Berufe heutzutage. Daraus folgt oft eine Überbewertung der Sonnenseiten und nicht wahrgenommene Schattenseiten des Berufes. Die Nachteile werden oft erst in der Realität bekannt. Was hält dich in dem Beruf, wenn du einen ganz normalen schlechten Tag erleben musst?

Ich denke es hilft sehr; dass wir alle sehr enge Freunde sind. Mir ist völlig schleierhaft, wie Menschen die sich gar nicht mögen, gemeinsam durch die Welt reisen. Ich kann mir nicht vorstellen warum man das jemals tun sollte. Unser Glück liegt vor allem darin, dass wir auch sonst gemeinsam Dinge unternehmen würden. Nach den Shows geniessen wir oft die Zeit miteinander, indem wir als Gruppe etwas essen, Musik hören oder einfach noch abhängen und den Tag ausklingen lassen. Wenn jemand am Ende des Tages am Boden zerstört ist, besitzt er das grosse Privileg einige gute Freunde um sich zu haben. So bist du auch nicht auf dich allein gestellt. Stell dir vor; das wäre die Vorraussetzung in deiner Gruppe, wie Einsam müsste doch dein Tourleben sein. Wir sind sehr glücklich, dass dies bei uns nicht der Fall ist.

RN: Hast du je schlechte Erfahrungen in Shows gemacht?

Nein, nie etwas Schlechtes oder Schlimmes. Ich glaube wir haben uns stark in der Art verbessert, wie wir mit Menschen umgehen und mit ihnen kommunizieren. Wenn jemand ein Problem hat, dann reden wir drüber. Gute Kommunikation hat schon immer weitergeholfen.

RN: Was war dein erfolgreichster Event?

Schwer zu sagen. Vielleicht einfach das Unterschreiben des Vertrags mit unserem damaligen Aufnahmestudio. [Roadrunner Records] Nach diesem Moment war die Band eine ernste Angelegenheit und als das wurde sie dann auch gehandhabt. Da wir uns nun auf eine Sache voll konzentrieren konnten, setzten wir auch alles auf eine Karte. Normalerweise konnten wir nämlich nur Shows am Wochenende spielen, da ein jeder unter der Woche arbeiten müsste.

RN: Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Ich bin dankbar, dass ich in meinem Alter doch noch meinen Bruder, meine Tante, meine Frau und meinen Bruder habe. Familie ist mir sehr wichtig. KILLSWITCH ENGAGE ist seit 20 Jahren unterwegs und die Nachfrage lässt nicht nach. Ich bin sehr froh, dass ich dadurch nicht in einem öden Job versauern muss und stattdessen durch die Welt reisen darf. Das ist wahrscheinlich ein bisschen spannender. Ich bin auch sehr dankbar für meine robuste Gesundheit.

RN: Willst du Konzerte geben bis du stirbst oder denkst du, dass du irgendwann an den Punkt kommst, an dem du meinst alles gesehen zu haben?

Das weiss ich nicht. Solche Entscheidungen würde ich mir für den Moment aufheben. Im Hier und Jetzt sehe ich keinen Grund es nicht zu tun.

RN: Würdest du auch noch in der Band spielen, wenn ihr nicht mehr davon leben könntet?

Wahrscheinlich wüsste keiner, ob wir uns so viele Konzerte wie auf einer Tour leisten könnten. Aber wir würden sicher noch Konzerte geben. Wir haben ohne Geld angefangen und machten das ganze nur, weil wir jede Minute davon liebten. Vielleicht müsste ich aber mich wieder mit einem Normaljob anfreunden.

RN: Wenn du einen anderen Job wählen müsstest, welcher wäre es?

Sicherlich würde ich etwas mit Musik zu tun haben. Ich denke anderen Gitarre beizubringen, wäre das Richtige für mich. Ich würde Gitarrenlektionen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbieten. Ich habe ein kleines Studio bei mir Zuhause, also würde ich wahrscheinlich auch noch Musik produzieren. Im Moment produziere ich einige Soundtracks für Horror Movies.

RN: Was inspiriert dich, um neue Songs zu schreiben?

Besonders um Hartmetallmaterial zu schreiben, bediene ich mich oft der alten Einflüsse der Klassiker in diesem Bereich. Diese Lieder habe ich teilweise schon in meiner Jugend gehört, aber noch heute üben sie einen erheblichen Einfluss auf mich aus. Bands wie SLAYER, TESTAMENT,  METALLICA und SEPULTURA. Ich liebe Metal welcher ein bisschen «thrashier» ist. Eine weitere Lieblingskategorie ist Old Hardcorepunk, welchen wir in KILLSWITCH ENGAGE versucht haben mit der Musikrichtung des Melodic Death Metal zu verbinden.

RN: Hörst du auch heute noch viel Metal, selbst wenn du auf Tour bist und spielst?

Nicht mehr so viel, wie ich in den ganzen alten Tagen hörte. Das hat auch einen einfachen Grund. Wir sind jeden Tag auf Metalshows und somit hören wir diese Musik oft in unterschiedlichsten Variationen. Manchmal braucht man seine Ruhe, deshalb höre ich dann auch oft etwas ruhiges um runterzukommen. In den letzten paar Monaten höre ich aber vor allem im Bus Classic Rock, mit Interpreten wie den EAGLES oder LED ZEPPELIN, einfach auch um die Ohren etwas aufzufrischen.

RN: Wie schreibst du deine Riffs?

Ehrlich gesagt, das basiert ganz auf Zufall. Ich experimentiere sehr stark einfach rum. Ich setze mich mit der Gitarre hin und spiele vor mich hin. Teilweise denke ich über ein Riff in meinem Kopf nach und versuche es dann auf der Gitarre abzuändern, zu modifizieren oder eben auch genau wiederzugeben. Dann nehme ich es meistens auf, als Gedächtnisstütze da ich relativ viel vergesse. Als kleiner Helfer benutzte ich oft ein kleines Drum Pad um dann darüber zu jammen.

Foto Credit Justin Borucki

RN: Ich hab nun noch ein oder zwei kleinere Fragen übrig, dann sind wir auch schon durch. Ich will doch nun das neue Album Atonement ansprechen. Kritiker sagen die letzten zwei Alben waren ganz okay, aber nicht überragend. Die neue Platte, welche im August dieses Jahres herauskam, war von vielen Kritikern als Rückkehr zu den Wurzeln betitelt worden. Es hat gute Reviews und Feedbacks bekommen. Warum glaubst du das Atonement so positive Rückmeldungen nach sich zog?

Bei gemeinsamen Arbeiten kann man oft am Endergebnis feststellen, ob diese Zusammenarbeit gut funktioniert. Für uns war klar, dass dieses Album eine gute Auswahl an neuen Songs für die Fans darstellte. Aber warum es so positive Feedbacks gab, kann ich nur einige Annahmen machen. Vielleicht ist es der Fakt, das es wieder einige alte Elemente gab. Beispielsweise sind wir wieder «thrashier», ein kleines bisschen schneller und haben das alte Feuer hinzugegeben. Möglicherweise sind wir auch offener und experimenteller geworden. Es ist immer schwer Kritiker zu überzeugen, denn wenn du etwas anders machst, dann heisst es meist das sei nicht mehr etwas von Kilswitch Engage. Gleichzeitig wenn du etwas einspielst, was einem bekannt vorkommt dann heisst es umgekehrt wieder das man sich nicht weiterentwickelt. Du kannst nie jeden auf dieser Welt glücklich machen und darum setzen wir uns auch nicht zu stark mit Kritiken auseinander. Wir produzieren ein Album das wir mögen und hoffen dass es unsere Fans genauso lieb gewonnen haben.

RN: Was ist dein Lieblingssong auf dem neuen Album?

Meine absoluten zwei Lieblinge sind The Crownless King und Unleashed.

RN: Glaubst du, dass du etwas nicht genug geschätzt hast, bis es nicht mehr da war?

Ich hatte definitiv Familienmitglieder, welche zu früh gegangen sind. Man wünscht sich oft man hätte mit ihnen noch mehr Zeit verbringen können, aber ich würde niemals sagen dass ich die Zeit nicht geschätzt hätte, die wir zur Verfügung hatten. Tom Keifer von Cinderella brachte es auf den Punkt; «Du weisst nicht was du hast, bis es für immer verloren ist». Das gilt für alles, ob es ein Beruf ist, deine Freundin oder dein Freund. Manchmal versauen sich Menschen ihr gesamtes Leben und bemerken den grossen Verlust erst, wenn alles verloren ist.

RN: Was machst du, wenn du nichts zu tun hast auf dem Bus?

Normalerweise höre ich oft Musik oder schaue mir verschiedene Filme an. Meine Lieblingsfilmkategorien sind Horror und Komödien.

RN: Die 20 Minuten sind schon wieder vorbei, deshalb wollte ich mich noch im Namen von Rocknews bedanken, dass ich die Möglichkeit hatte um dieses Interview zu führen. Danke vielmals auch für das aufschlussreiche Gespräch. Ich schätze eure Musik und Arbeit sehr und würde mich deshalb über ein B-Sides Album so wie viele Fans enorm freuen.