GIANNA NANNINI – die Italorock-Primadonna verzückt das Hallenstadion
Genaue Zahlen gibt es nicht, aber klar ist, dass am Montagabend die italienische Gemeinde gemeinsam mit Pizza-Liebenden, Italienaffinen Zugewandten das Hallenstadion dominierten. Und die Primadonna hatte den Saal jede Minute im Griff.
Bilder und Text Danny Frischknecht
Man mag die italienischen Cantautori lieben oder nicht, seit Jahrzehnten füllen sie die Hallen und Stadien, längst nicht nur in Italien. in meinem persönlichen Portfolio stehen zwei zuoberst, die auch schon gemeinsam grosse Erfolge gefeiert haben: Edoardo Bennato und Gianna Nannini. Die letzten Besuche ihrer Konzerte liegen weit zurück, Bennato mit seinem alter ego Joe Sarnataro in den Achtzigern, Nannini nicht viel später. Darum freute ich mich auf die Show im Hallenstadion, weil da die wohl bekannteste italienische Sängerin endlich wieder auf meinem Liveradar auftauchte.
Gianna Nannini hat eines eindrücklich bewiesen, eine siebzigjährige Frau kann ebenso powervolle und eindrückliche Liveshows abliefern wie gewisse ihrer männlichen Kollegen. Mehr noch; die Kraft und das Charisma, das die Italienerin hier auf die Bühne brachte, spielt in einer Liga mit grossen Altmeister-Bands wie den ROLLING STONES, BRUCE SPRINGSTEEN oder AC/DC. Die Spuren der Zeit gehen auch an der Norditalienerin nicht vorbei und trotzdem ist das, was da auf der Bühne passiert, nicht weit weg von dem, was ich zum ersten Mal 1980 am vierten Openair St.Gallen (damals noch Openair Abtwil) als Neunzehnzehnjähriger erlebt habe – Rock, Rebellion, Faszination. Damals die Faszination einer Mittzwanzigerin, heute die einer gereiften Frau. Von Beginn weg hatte die Primadonna den praktisch ausgebuchten Saal im Griff.
Sie eröffnete die Show mit „1983“, einem kraftvollen ETTA JAMES Cover, legte „Primadonna“ aus ihrem 1982er Album „Latin Lover“ nach um dann gleich wieder zum neuen Album „Sei nell’anima“ zurückzukehren. „Silenzio“ hiess der Titel, Ruhe kehrte deshalb noch lange nicht ein. Die Stimme steigerte sich von Song zu Song, über „Scandalo“, „Profumo“ und das nächste Cover, eine Interpretation des KRIS KRISTOFFERSON Klassikers „Me And Bobby Mc Gee“ bis hin zu „Maschi“. Und das war dann der Moment, in welchem auch der gestuhlte Innenraum des Hallenstadions stand, die Halle kochte und gut 9000 Fans diesen Hit mitsangen – das mag in Italien noch eine Stufe intensiver sein, hier war es ein Gänsehautmoment und Höhepunkt der Show.
Es folgte weiterhin ein Wechsel zwischen Tracks des letzten Albums und ihrer grossen Hits. Den Abschluss machten dann die Zugaben mit ihren Klassikern „Bello e Impossibile“, „Latin Lover“ und „America“, bevor die Rock-Primadonna aus Siena die Bühne verliess und begeisterte Fans zurückliess.
Viele Nichtitaliener verstehen den Italorock nicht, diese Mischung aus harten Tracks und emotionalen Songs, für uns nahe am Kitsch vorbei, im Schlagerbereich. Wer aber das Lebensgefühl unserer südlichen Nachbarn jenseits von Pizza und Pasta einmal gespürt hat, weiss; italienischer Rock ist mehr als das, was die Jungspunde von Måneskin zu bieten haben – auch weit weg von ihrer Affektiertheit, ihrem aufgesetzten Stargetue. GIANNA NANNINI ist nicht nur die Seel der italienischen Rockmusik, sie ist eine grandiose Botschafterin des italienischen Lebengefühls, der Italianità.
Danke Gianna, du hast einen Kreis geschlossen zwischen 1980 und 2024 und hast eindrücklich bewiesen, dass uns das Alter zwar Grenzen aufzeigt, dass diese aber auch eindrücklich überwunden werden können – grazie tanto, grazie mille!
Wie immer gilt unser Dank auch jenen Veranstaltern, die solche Konzerte möglich machen – und uns dazu einladen – danke GADGET.