Blues Powerfrau Lilly Martin im Gespräch
Es ist ein warmer Winternachmittag, als ich bei Lilly Martin ankomme und wir es uns zusammen mit Ehemann Michael Im sonnigen und extrem gemütlichen Heimstudio bequem machen.
danny@metalnews | Was nun folgt ist das längste Interview meiner Karriere – und ein sehr faszinierendes. Klar ist deshalb, dieser Text ist nur ein Auszug. Er bleibt unvollständig und gibt – hoffentlich – die Stimmung beim Gespräch und die Faszination dieser Frau wieder.
Lilly Martin hat kubanische Wurzeln, ist in New York aufgewachsen und seit vielen Jahren Wahlschweizerin. Am 19. Januar 2018 erscheint ihr neues Album „Minetta“ bei Phonag Records/BMG und am 20. Januar 2018 ist Plattentaufe im „Moods“ in Zürich.
Gleich zu Beginn des Gesprächs einigen wir uns auf schweizerdeutsch als Sprache – was im Verlauf des Interviews dann zu einem charmanten Mix mit englischer Anreicherung führt. Ich spreche Lilly auf ihre kubanischen Wurzeln an und darauf, ob das nur die familiären Wurzeln betrifft oder ob es einen direkten Bezug gibt.
„Nein, aber ich hatte immer wieder Lust, einen solchen Bezug zu schaffen. Vor zwei Jahren hätte es fast geklappt. Du musst dir vorstellen, ich bin schon lange Doppelbürgerin – in der Schweiz. In den USA bin ich aber nur Amerikanerin, und so durfte ich nie nach Kuba.
2002 oder so hat mich meine Halbschwester auf Geschäftsreise mit nach Kuba genommen – für eineinhalb Tage… Sonst kenne ich Kuba gar nicht – ich bin also eine Art Secondo.
Aber was ich verstehe ist die kubanische Kultur, die Musik.“
Ergänzen dazu kann ich – auch wenn das vielleicht ein Clichée ist – Lilly Martin sieht auch kubanisch aus mit ihren braunen Augen, dem langen Haar und einem Gesicht, das Lebensfreude pur ausdrückt.
Kubanische Wurzeln, in New York aufgewachsen – wie führt der Weg schliesslich in die Schweiz?
„That’s the most popular question. Die Frage wird mir sehr oft gestellt und ich habe immer noch Mühe, sie zu beantworten. Ich bin nicht so ganz normal aufgewachsen. Meine Mutter war Künstlerin, sehr spontan sozusagen – ich bin schon achtzehn Mal umgezogen, bevor ich in die Schweiz gekommen bin.“
Da ist es wieder, dieses Lachen, das uns durch das gesamte Gespräch begleiten wird. Ein warmes Lachen, das mit Lillys Gesangsstimme harmoniert.
Eine Zeit lebte Lilly in Miami, was sie gehasst hat. Sie ist nach der High School nach New York zurückgezogen. Und eine Weile hat sie für eine Schweizer Firma gearbeitet und so die Schweiz kennengelernt – und sich verliebt. Also doch – das hatte ich mir fast gedacht, obwohl es ebenfalls ein Clichée ist. Mir gegenüber sitzt der „best one“, in diesem Gespräch aufmerksamer Zuhörer, Lillys Mann Michael.
Ich frage sie nach dem Begriff des „New York Blues“, den ich im Zusammenhang mit POPA CHUBBY schon gehört habe. „Really? Okay…“
„Aus meiner Sicht gibt es keinen New York Blues als Stilrichtung. Es gibt Chicago Blues oder den Delta Blues im Süden – ich selber mache „meinen eigenen Style von Blues“, eine Mischung aus Blues und Soul. Vielleicht müsste man das einmal abklären, ob es sowas wie New York Blues gibt.
Lilly betont, dass sie sowieso viele Musikgenres mag, neben Blues und Soul auch Country oder Rock. Und sie hält fest, dass ihr durch LED ZEPPELIN oder die ROLLING STONES die Rockmusik eröffnet wurde, durch Joni Mitchell der Jazz.
In einem Interview hat Lilly Martin über die „Essenz von Blues und Soul“ gesprochen und meint damit, dass verschiedene Interpretationen oder moderne Umsetzungen den Blues weiterentwickeln, aber der Einfluss des Blues und Soul erhalten bleibt. „The essence of Blues is not only in a chord progression…“
Für Lilly Martin ist die Essenz des Blues allgemeiner gefasst das Erzählen von Geschichten, wie es Etta James tat oder Ray Charles.
Ich möchte wissen, ob es zum Spielen des Blues die Geschichte der schwarzen Sklaven, der Unterdrückung und Verfolgung braucht. Ein Stichwort dazu ist „Can a white man play the blues?“
„Das ist für mich eine Quelle, aber nicht die Einzige. Blues ist aber nicht Leiden oder Trauer, Blues ist die Geschichte des Lebens, Blues ist Liebe, Lüge, Betrug, ist Groove und Vibes.
Ich will das von den Schwarzen Amerikanern aber auch nicht unterschätzen. Das war sehr wichtig für die musikalische Entwicklung des Blues und Gospel.
Ich finde die Annahme, dass nur Schwarze den Blues richtig spielen können, eher als Schubladendenken.“
Michael Dolmetsch, Bandleader, Produzent und Lillys Mann, folgt dem Gespräch sehr interessiert und meldet sich jetzt ebenfalls zu Wort.
„Ich denke, es kommt auch darauf an, mit welcher Musik man aufgewachsen ist. Die Engländer, die in den Sechzigerjahren den Blues entdeckt haben – wie Eric Clapton oder die Rolling Stones – mussten zuerst lernen, wie guter Blues klingt. Schwarze hingegen, die mit Blues und Gospel aufgewachsen sind, haben da eine viel bessere Ausgangslage. Und dieses Aufwachsen mit dem Blues ist eine Art, ihn im Blut zu haben – und das gilt für schwarze und weisse Musiker. Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Hautfarbe ist.“